März – Mai 1918
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[Fortsetzung Blatt 168]
1. März 1918
Wollte Brief schreiben, aber die Mäuse sind damit durchgegangen. Es ist rein toll, nichts ist sicher. An der Front Stille vor dem Sturm usw. davon später. Haben noch nichts zu tun. Hab nur keine Angst. Mir gehts immer gut. Heute haben wir gemütlichen Bierabend.
2. März 1918
Haben hier Winter, eklich [sic] kalt, naß, Schnee. Scheußliche Temperatur. Gestern Abend hatten wir Kompaniefest. Es war schön. Bier, Rum, Musik und Frohsinn waren beisammen und vor uns, welch ein Kontrast, trommelten unsere Batterien und stürmten unsere Kameraden die vor uns liegende Corlinetthöhe1. Gestern Morgen wurden die feindlichen Batterien schon mit Gas beschossen. Sie wurden gehörig vergast. Von 44 feindlichen Batterien antworteten nur mehr vier, d. h. von 180 Geschützen feuerten mehr 16. Unser Gas ist für uns ja gut, aber die Feinde. Der Krieg ist schrecklich. Wir schießen. Das Gas wirkt erst nach Stunden. Da helfen die Gasmasken wenig. Die Leute müssen brechen, nehmen die Gasmaske ab und sind verloren. So wars auch wohl
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Vermutlich eine Ortsbezeichnung. Welchen Ort Beckmann meint, konnte nicht abschließend geklärt werden. ↩
[Blatt 169]
gestern. Um 1815 Uhr abends war der Sturm eingesetzt. Den ganzen Tag wimmelt die Luft voller Flieger trotz ungünstiger Witterung. Gegen 4 Uhr ging dann das Trommelfeuer unserseits wieder los. Gegen 615 Uhr stiegen in dem betreffenden Abschnitt grüne, rote, weiße Leuchtkugeln. Wir wußten, jetzt gehts los. Doch feindliches Feuer hörten wir wenig. Der Berg und ein Fort von Reims sind unser. Es hat sicher unserseits nicht viel an Menschenleben gekostet. Heute in der Frühe wieder Trommelfeuer gegen 5 Uhr. Der rechte Abschnitt wurde gestürmt. 2000 Minenwerfer waren allein eingebaut. Was das heißt, glaubst Du nicht. Da[s] Aushalten im Feuer heißt verrückt werden. Hoffentlich ist bald Frieden.
4. März 1917
Es müßte doch hier eigentlich alles in Blüte stehen, doch nein, ein Sauwetter herrscht. Schnee gibts immer, er bleibt sogar liegen. Ein Dreck überall. Der Kreideboden ist aufgeweicht, der Dreck klebt an den Füßen. Und in all diesem Mist geht mein Bataillon heute nicht wieder in Stellung. Wir bleiben noch ein paar Tage hier, denn der l[eichte] Maschinengewehr-Kursus ist noch nicht beendet. Gestern Abend war wieder schweres Trommelfeuer vor Reims. Franzmann hat wohl einen Gegenangriff unternommen, denn beim Angriff vor zwei Tagen haben wir die gesteckten Ziele (Corlinettberg [sic]2 und ein Fort von Reims) voll erreicht. Zwei Offiziere und 200 Mann wurden gefangen. Das sieht zwar wenig aus, aber es ist viel, nur der kann es ermessen, der im Feuer stand. – Jetzt hab ich auch meinen neuen Rock, sitzt gut, der Schneider hat ihn ganz nach Maß gemacht. Wenn wir aus Stellung kommen, bekomme ich auch eine neue Hose. Habe ja nun Aussicht zur Beförderung. Der Feldwebel hats mir versprochen.
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Mont Cornillet.↩
[Blatt 170]
Führe eine Korporalschaft, obschon wir Unteroffiziere genug haben. Gestern war Sonntag. In der Kirche von Epoye haben wir unseren Osteon [?] gehalten. Alle Katholiken mußten hin zur Kirche. Man geht auch gern. Anbei ein kleines Andenken als Erinnerung. Wenn wir jetzt aus der Stellung kommen, über 20 Tage, dann ists kurz vor Ostern und wir feiern das Fest auch im Ruhelager. – Gesten Abend 17 Uhr ist der Friede mit Rußland unterzeichnet. Glauben, er kommt für uns auch bald.
7. März 1918
Gestern ist unser leichtes Maschinengewehrkursus beendet und heute sollten wir wieder zur Kompanie, die vor drei Tagen in den Graben ging. Ich hab es aber vorgezogen, mich heute krank zu melden, habe eine kleine Stelle am Fuße, infolge Wundscheuerns, und kann den Weg zur Stellung nicht machen. Der Arzt hat mir feuchten Verband und Bettruhe verschrieben. Habe also ein paar Tage Ruhe. Paßt mir eigentlich nicht. Von Onkel Theo kleine Paketchen. Gestern hatten wir Gasalarm, heute Morgen starkes Trommelfeuer.
9. März 1918
Verlebe einige Tage schönster Ruhe, doch mein Fuß heilt rasend, rein immer zu schnell. Bin zwar heute Morgen wieder dran geschnitten, trage Zinkverband und habe Gefühl, daß übermorgen dienstfähig. Hätte dann fünf vollständige Ruhetage gehabt, die taten gut. Es wird nun bald die große Offensive losgehen. Glauben nicht, daß wir sofort mit eingesetzt werden. Der Franzmann wird Sänge [sic] bekommen. Hauptsache: Gas. Gräßlich wirds werden, denn unsere neuen Gase sind schlimm. Hier bei schönstem Wetter rege Fliegertätigkeit. Gestern Abend zogen 24 französische Flieger zugleich los, um hier zu legen. Die ganze Nacht in der Luft Betrieb. Gegen
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[Blatt 171]
8 Uhr hatten wir wieder Gasalarm. War das ein Bummeln und Klingeln der überall in Bewegung gesetzten Alarmglocken (Hohlbläser). Alles lief mit Gasmaske. Leuchtkugeln, alle möglichen Farben stiegen. Es ist oft recht interessant in dem Rausch hier. Deinen Brief vom 3. bekam ich gestern (8.).
11. März 1918
Briefsperre ist wohl gerade nicht, aber strenge Briefkontrolle. Es soll und darf eben nichts verraten werden. Große Sachen bereiten Sache vor, doch wir sind nicht diejenigen, die zuerst heranmüssen. Viele Parolen laufen. Italien hätte seine Beziehungen zur Entente abgebrochen (glaubt aber keiner). Mir gehts gut, Fuß ist wieder in Ordnung.
12. März 1918
Noch im Lager, heute Morgen und gestern, vorn am Kornilletberg [sic]3 feindliche Stellungen genommen. Unsere liegen etwas rechts. Letzte Nacht starkes feindliches Feuer. Alarmbereitschaft. Heute bis 5 Uhr den Berg vergast. Heute Mittag französischer Gegenstoß. Viele Flieger, Frühlingswetter, strenge Briefkontrolle.
13. März 1918
Zu Mutters Namenstag am 19. herzliche Grüße. Was sonst hier los, siehst du in den Zeitungen. Die Zeit der großen Kämpfe beginnt. Das Wetter ist zurzeit wunderbar, nachts ist nur recht frisch, tagsüber brennt die Sonne schon warm.
15. März 1918
Sitze nun wieder bei der Kompanie, vorne. Vorgestern Abend kam ich hier an. Die Nacht war ruhig, auch der Vormittag. Gestern war der 14. Vor einem Monat hatten wir das dreistündige Trommelfeuer auf unsere Gräben und gestern wurde es noch schlimmer. Links stürmte Franzmann den Kornillet [sic]4. Er lag auf der einen Seite, wir auf der anderen. Nun wollte Franzmann das Verlorene wiederholen. Um 13 Uhr mittags setzte er mit starkem Trommelfeuer ein, das bis über unseren
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[Blatt 172]
Abschnitt weit hinaus alles mit Eisen belegte, hauptsächlich natürlich den Berg. Wir waren natürlich sofort alarmbereit und warteten im Stollen auf den Ausgang. Aus einer Stunde wurden zwei, drei, vier, fünf Stunden. Mit unverminderter Heftigkeit gings weiter. Unsere Artillerie blieb aber auch nicht stumm. Nach der sechsten Stunde wurde es ruhiger, aber nur einige Augenblicke. Dann setzte noch mal alles ein, immer stärker. Nach der siebten Stunde raste man alles, rein fürchterlich. Es war die letzte verzweifelte Anstrengung vor dem Angriff. Da stiegen auch schon überall rote Leuchtkugeln, die Anforderung von Sperrfeuer in die Höhe, und unsere Artillerie gab nun her, was sie konnte. Alles war nun auf dem Sprung, eine Viertelstunde dauerte noch heftiges Geschieße mit Maschinengewehr, Handgranaten und Minenwerfer, dann flaute alle Knallerei plötzlich ab, es war ruhig und still und dunkel schon. Der Angriff war nur wenig und nicht geglückt. Die ganze Nacht dauerte aber dann die Knallerei weiter und wir kamen aus der Alarmbereitschaft nicht heraus. Heute ist es nun wieder ruhig. Die Flieger hatten auch gestern einen strammen Tag. Kurz vor dem Angriff wimmelte die ganze Luft voll. 16 französische kamen dann noch hinzu und kundschafteten in geringer Höhe aus. Hauptsache ist, daß wir wieder Ruhe haben. Mir gehts sonst gut. Dein l[iebes?] Eierpaketchen erhalten.
17. März 1918
Im Stollen, Hauptriegel. Am 13. abends kam ich. Alte Stelle, im Fuchsweg. Bei der Pioniergruppe. Am 14./15. nach vorne, doch davon wurde nichts, denn 14. mittags 1230 bis 1930 Uhr Trommelfeuer. Corinettberg [sic]5. Wir haben mehr Minenfeuer. Abends beim Angriff setzt unser tolles Speerfeuer ein. Die ganze Nacht unruhig. Immer alarmbereit.
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Mont Cornillet. ↩
[Blatt 173]
Ruhig. 2330 Uhr abends abgelöst, nach vorne (lagen vorher etwa 100 m hinter dem ersten Graben). Mit acht Mann der Pioniergruppe im M[inen?] W[erfer?]-Stollen. Am 16. wieder umziehen nach dem Hauptriegel. Erst den Unterstand ausbauen. War nichts als ein verwahrloster Stollen unter Wasser. Leben auf der Treppe.
17. März 1918
Kommt meine Post auch an? Ist nicht Briefsperre? Mir gehts gut. Hier ists wieder ruhig. Nur viele Flieger, hüben und drüben. Die Artillerie ist natürlich andauernd im Gange. Alles wird allmählich Gewohnheit. Man munkelt von Fortkommen. Gestern bekam ich von Mutter ein Rauchpaketchen. Wo bekommst du nur noch die guten Sachen her, hier gibts nur Schund. Marke: "Rauch du sie!" oder "Anstecken und wegwerfen", "Handgranate" usw. Nun freu ich mich schon auf das dritte Paketchen, das unterwegs ist. Gratuliere zum Namenstage. Neues darf ich nicht schreiben. Es ist scharfe Kontrolle. Des Franzmann drang beim Angriff zwar in unsere Gräben, flog aber bald heraus. Er war gut 100 m links von uns. Als wir beim Angriff Sperrfeuer anforderten, gings aber los. So habe ich unsere noch nicht ballern hören. Was ein Dröhnen, als ob die Hölle los wäre. Na, und wir waren auf dem Sprung, denn es war der entscheidende Augenblick. Doch das ist Ruhe und nun ists vorbei. Wird auch so eilig nicht wieder losgehen. Muß ja auch erst Munition heran sein, denn nach meiner Berechnung fielen in den paar Stunden mindestens an 100000 Schuß. Das will schon was heißen für den kleinen Abschnitt. Das sind 10 Munitionszüge zu je 40 Wagen. Was wird doch für Geld verknallt.
20. März 1918
Dasselbe Leben. Latrinenparolen überall.
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[Blatt 174]
große und kleine Feuerüberfälle. Stollen- und Grabenbau emsig. Morgen gewaltsame Erkundung, mit großer Artillerie-Vorbereitung unserseits. Große Minen (2 Ztr.) werden viel herangeschleppt. Habe die Werbetätigkeit für achte Kriegsanleihe.
20. März 1918
Dasselbe Leben. Die ganze Welt ist in Erwartung. Wanns losgeht, weiß keiner? Neues schreiben hätte keinen Zweck, der Brief käme doch nicht über. Mir gehts sonst gut. Habe augenblicklich die Werbetätigkeit hier für achte Kriegsanleihe. Schöner Posten, da ich sonst keinen Dienst mitmache. Sitze also dauernd im Stollen oder gehe die einzelnen Kameraden besuchen, um Geld fürs l[iebe?] Vaterland zu betteln. Nur keine Schreibgelegenheit hat man. Hausen wieder andauernd auf der Treppe, denn in der Tiefe ist der Stollen versoffen. Gestern und heute Regenwetter. Großer Dreck im Graben. –
22. März 1918
Gestern war erster Durchbruchstag bei La Fere. Bei uns war auch regstes Leben. Nachts vom [20./21.] Minenschleppen. Um 3 Uhr ging die Artillerie-Beschießung los, hielt den ganzen Tag an. Immer Gas. Ein Flieger stürzte brennend ab. Gegen 630 Uhr holte die 12. Kompanie, bald ohne Verluste, 21 Franzmänner und zwei Maschinengewehre aus den französischen Gräben. Ich bringe die Beutesachen zum Regiment. Andauernd ist unsere Artillerie im Gange. Rudick fiel. Heute dasselbe Leben. Franzmanns leichte Artillerie schweigt gänzlich, nur die schwere antwortet zeitweise.
22. März 1918
Hier in Frankreich ist dicke Luft. Gas, die Parole des Tages. Gestern war wohl der erste Durchbruch bei La Fere! Infolgedessen war es auch bei uns recht lebhaft: Die Geschütze kommen nicht zur Ruhe. Unaufhörlich tacken die Maschinengewehre auf Flieger. Es ist Krieg
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[Blatt 175]
und für uns dicke Luft. Mir gehts gut. Gestern bekam ich von Tante Lisette aus Melle ein Eierpaketchen. Große Freude. – Bei dem Angriff der 12. auf Franzmanns Graben (Der Vorstoß ging bis zum dritten Graben) waren die Franzmänner so mitgenommen, daß ein Unteroffizier allein sieben Gefangene einbrachte.
24. März 1918
Bei La Fere sind wir durchgebrochen. Genaues noch wenig bekannt. Gestern wars bei uns wieder ruhig, schönes Wetter und ab und zu Partitur vom Franzmann. Viele Flieger und Schrapnell-Wolken. Heute Morgen links gegen 3 Uhr Trommelfeuer. Glaube, Franzmann griff an. Unser Sperrfeuer dauerte lange. Nachmittags rechts böses Feuer. Sonst überall recht lebhaft. Die 5. Kompanie bekam vor zwei Tagen einen Volltreffer auf einen Unterstand. Zwei Tote, zwölf Verwundete. Tolle Parolen über Ablösung, Fortkommen und Durchbruch.
26. März 1918
Sende zum Osterfeste aus Feindesland herzl[liche?] Ostergrüße als Korporal, bin am 23. zum Unteroffizier befördert. Konnte gestern nicht schreiben, da wir abgelöst werden sollten, und dann verzog sich die Sache plötzlich um einen Tag. Hier in Frankreich gehts doch bös her. Wir sind aber noch nicht im tollsten Mist drin. Mir gehts sonst gut, für dein l[iebes?] Paketchen mit dem Brot, eigentlich wars ja der schönste Kuchen, herzl[ichen?] Dank, das schmeckte mal. Das Wetter ist zurzeit recht windig und mithin kalt. Neues wüßt ich sonst wohl weniger als ihr, denn wir erfahren ja auch nur aus den Zeitungen. So geht ein Tag wie der andere herum. Sind jetzt schon 23 Tage in Stellung, wird Zeit, daß wir bald herauskommen. Briefpapier und Seife sind ausgegangen. Na, noch wohl drei Tage, dann können wir in den Kantinen neu einkaufen. Habe jetzt als Korporal auch ein besseres Leben. – – –
27. März 1918
Es ist ruhiger, auffallend ruhig, geworden, nur die Nacht
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[Blatt 176]
vom 24. [auf den] 25. war Franzmann auffallend lebhaft. Am 25. [und] 26. sollten wir in Ruhe. Hatten schon gepackt, da kam der rückfällige Befehl. In der Nacht vom 26. [auf den] 27. haben wir 477 am Kornilettberg [sic]6 abgelöst, also weiter links gekommen. Heute alles ruhig. Die Offensive geht ja großartig weiter. Parolen sind überall.
27. März 1918
– – Herzl[ichen?] Gruß in bester Gesundheit. – – – Müßt schon entschuldigen, daß ich so eine dreckige Karte schreibe, aber die Briefbogen sind ausgegangen und hier im Graben kann [man] wohl Eisen, aber kein Papier bekommen. Doch bald werden wir ja in Ruhe kommen, da gibts alles wieder zu kaufen. Hoffentlich gibts bald Frieden, man sollte es bald annehmen, nach diesen Anfangserfolgen.
28. März 1918
Heute morgen kamen wir aus Stellung. Sind nun zehn Tage (hoffentlich) wieder in Ruhe und wir hoffen, daß uns wirklich Ruhe vergönnt ist. Man kann sie gebrauchen, wenn man 25 Tage in der Erde gehaust hat, nachts an die Oberfläche kroch und auch dann ängstlich gespannt lauschte und zu Werke ging. Nun lebt man wieder auf, aus all dem Dunkel und Dreck. Und wenn Du nun deinen Bernhard sehen würdest, könntest Du staunen, neuen Rocks neue Hofe, die Tressen, bin ja nun Unteroffizier und heute bekam ich das EK. Habe mich gefreut, kannst ja glauben, nun kann man sich ja auch in Osnabrück sehen lassen. Du freust Dich ja mit mir, und so haben wir beide ein schönes Ostergeschenk. Wollen hoffen, daß bald Schluß ist und wir bald nach Haus kommen. – – –
30. März 1918
– – Habe soeben deinen ersten Brief vom 23. in der Hand. Habe nun auch besser Zeit zum Schreiben, denn nun haben wir frische Luft und Tageslicht. – – –
31. März 1918
Erster Ostertag. Gestern Regen und heute Sonnenschein. Sind nun wieder ein Mühlheimer Lager. [Am] 28. [und] 29. lösen wir ab. Schwer befunkt von
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Mont Cornillet. ↩
[Blatt 177]
Franzmann. Schwere Artillerie. Auch am Abend vorher mehrere Tote und Verwundete. Viele Pferde. Am 28. abends brachte ich die Küchensachen und Granatwerfer zu den Wegen. Da die Küchenwagen und Granatwerferwagen an zwei verschiedenen Stellen hielten, ging ich mit dem stärkeren Trupp, der Küchenbagage. Wir mußten mehrere 100 m. Stockfinster, da wurden wir vom Franzmann mit einem fürchterlichen Feuerüberfall beschenkt. Fanden zum Glück Unterkommen in einem Küchenunterstand. Kommen heil zurück. Der andere Trupp war auch zurück und meldete mir, daß sämtliche Granatwerfer bei dem Feuerüberfall in die Gegend geworfen seien uns alles Unterkunft gesucht hätte. Ich zum Kompanieführer. Die Sachen müssen wieder da sein. Lasse die Leute antreten. Dann los, in der Dunkelheit im Feuer suchen. Schön war was anderes. Doch wir finden alles. Liefern ab und dann zurück zum Bunker. Um 0 Uhr lösten uns andere Truppen ab. Ich blieb mit Unteroffizier Ring zurück, bis zum anderen Morgen. Um 7 Uhr gingen wir beiden zum Lager. Mehrere Tote lagen auf dem Felde. Waren gerade vorher gefallen. Kommen heil durch. Nachmittags bekam ich das EK. Es war ja Karfreitag. Heute am ersten Ostertage nach Epoye zum Gottesdienst. In den letzten Tagen und Nächten oft schweres Trommelfeuer an der Front.
31. März 1918
– – Herzl[iche] Festesgrüße. Sonnenschein lag über dem Ostermorgen. Gestern noch alle Schleusen des Himmels geöffnet. Heute ist ja Ostern. Mit schwerem Trommelfeuer leitete Franzmann das Fest heute Morgen ein. In der zerschossenen Kirche von Epoye feierten wir unseren Gottesdienst. Die schönen Zeiten von früher... sind nicht mehr, aber sie
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[Blatt 178]
kommen doch sicher noch bald wieder. Osterfeuer wirds hier wohl nicht geben, aber rechts, wo die blutige Schlacht tobt. Und doch hat der Heiland heute gesagt: "der Friede sei mit euch." Ist das Frieden? Den Herzensfrieden kann ja auch jeder haben und den Weltfrieden, den wird er ausschicken. Wird das dann eine Freude sein. Doch so weit sind wir noch nicht. Noch heißt es, Kopf hoch und durchhalten. – – –
2. April 1918
Herzl[ichen] Gruß nach verflossenem Fest. – Mir gehts gut. Die Witterung ist leidlich. Frühlingsblumen blühen endlich. Die Bäume knospen. Heute Abend haben wir eine Kompaniefeier. Sonst dasselbe.
3. April 1918
Hier verleben wir dasselbe Leben. Gestern Abend hatten wir große Kompaniefeier. War urgemütlich und eine schöne fidele Feier, bei der alle für einige Stunden den Krieg vergaßen. Habe allein drei Reden geschwungen. Habe mir heute ein paar neue Stiefel geholt, die anderen waren noch ganz gut, aber der linke drückte ein wenig. Die Offensive ist ja scheinbar zum Stillstand gekommen. Wird aber sicher bald weitergehen. Augenblicklich ist Franzmann bei uns bös am Schießen. Hat aber nichts zu sagen, das geht hier ja mit geringen Unterbrechungen andauernd. – – –
7. April 1918
Wanderten in letzter Nacht wieder nach vorne. Alte Stellung. Der Hinmarsch über Stock und Stein, in dunkler Nacht, in tiefem Dreck, in dauerndem Störungsfeuer usw. ist recht nervenaufregend. Das Wetter ist dreckig. In den Stollen dringt weder Regen noch Luft. Mir gehts gut.
8. April 1918
Schönstes Regenwetter und im Graben größten Dreck. Wenn da nicht geschippt wird, läuft der Schlamm schon stellenweise in die Stiefelschäfte. Sitzen tagsüber im Stollen und schlafen den größten Teil des Tages. Führen
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[Blatt 179]
doch ein großartiges Leben in der Fremde. Vorgestern habe ich mein EK zu dir abschicken lassen.
9. April 1918
– Sind nun schon wieder drei Tage in Stellung und soweit gefällt es uns ganz gut, denn Du mußt wissen, wir führen ein sehr hartes Leben. Meine Gruppe steht zurzeit Signalposten, d. h. der Posten muß die Signale noch rückwärts weitergeben, so da sind Leuchtraketen große, kleine, einfache, Doppelsterne, rote, grüne, gelbe, weiße. Alle haben ihre Bedeutung. Ferner Gasalarm, Gongs, Nebelhorn und Sirene, ferner Beobachtungen melden über Artillerie- und Minenwerfer-Tätigkeit, Flieger und Fesselballons. Also ein ganz verantwortlicher Posten. Ich habe weiter nichts zu tun. Sorge nur, daß alles klappt. So kann man den ganzen Tag auf der Falle liegen, aber immer schlafen geht doch auch nicht. Das Wetter geht heute. Der Graben ist kolossal dreckig und voll Wasser. Die Nächte sind stockfinster. Neben unserem Stolleneingang steckt ein unheimlich großer Blindgänger halb in der Erde. Die Nächte sind stockfinster. In einer solchen Nacht lösten wir auch ab. Es ist immer ein weiter Weg vom Ruhelager bis zum Graben und wenn man sich in der Dunkelheit nicht verläuft und Franzmann die Wege nicht mit schwerer Artillerie beschießt, dann kann man eben von Glück sagen. Augenblicklich ist es sehr ruhig hier, aber das kann jeden Augenblick umschlagen, starke Feuerüberfälle sind an der Tagesordnung. So läuft das Leben eintönig dahin, hoffentlich zu einem baldigen Frieden. – –
5. April 1918
Nachtrag. Die vielen
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[Blatt 180]
Fettflecken der letzten Zeit lassen wohl auf eine fettreiche Gegend hier schließen, dem ist gerade nicht so, nur daß mir mein Papier durch irgendeine Ursache versaut ist, bei den teuren Zeiten ich aber nicht alles fortwerfen will. Mir gehts soweit gut. Gestern waren wir den ganzen Tag unterwegs, nach Warmeriville zur Entlausung. Nachmittags hatte unser Bataillon noch eine Theatervorstellung dort selbst, Artillerie-Varieté. So wird auch für Abwechselung für uns gesorgt. Wie stehts mit der Offensive? Augenblicklich wohl Stillstand. Morgen Nacht gehts wieder in den Graben, die zehn Tage Ruhe laufen doch schnell dahin. Andauernd ist Urlaubssperre. – – –
10. April 1918
Laut singend durchfuhren heute Nacht die ungetümen Geschosse die neblige Gegend in hellem Feuerschein, donnernd ihr Dasein beendend und mich aus schönstem Traum in der Heimat in die rauhe Wirklichkeit zurückführend. Ich sah nach der Uhr (die ich während der ganzen Kriegszeit als Armbanduhr an linker Hand trug). Es war Mitternacht. Dein Bernhard feierte einen großen Tag, das erste Vierteljahrhundert war erreicht. In der Heimat, im fröhlichen Beisammensein wäre es wohl ein schöner Tag geworden, gelt? Doch nun sollte es nicht sein. Also drehte ich mich noch mal auf die Seite, das Drahtgeflecht knarrte und ich schlief weiter. Am frühen Morgen gingen wir an die Arbeit. Aufräumen auf Deckung. Ein frischer Frühlingsmorgen lag über zerschossenem Gelände. Trichter reiht sich an Trichter. Im zerwühlten Erdreich ist sämtliches Leben erloschen, vernichtet. Nur
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[Blatt 181]
die weiße Kreide, völlig zermalmt, zeugt von sinnloser Zerstörung. Doch halt, nein, dort am großen Trichterrand leuchtet mir etwas entgegen. Es ist der Frühling im Anzug. Ein wunderschönes Veilchenbündel leuchtet dort und brachte mir die ersten Grüße zum Geburtstag. Denn wahrlich, ich hatte ihn ganz vergessen. Aber nun dachte ich wieder dran und war in Gedanken bei dir und jene Veilchen, die mich so freundlich begrüßten, sie grüßen auch dich und bringen Dir herzl[iche?] Grüße von hier, aus zerschossenem Gelände. – (Veilchen im Brief vom 10. April 1918) – Nun ist der halbe Tag schon vorüber, aber bald kommt – – – – – hoffentlich der Frieden.
12. April 1918
Sitze zurzeit bei schönstem, warmem Frühlingswetter auf unserem Postenstand und schreibe. Soeben habe ich meinen Mittagsschlag verdrückt. Es gab heute Steckrüben, nicht gerade das beste Essen, aber schmecken schmeckt es immer. Bin gestern Morgen umgezogen, habe nun ein Maschinengewehr bekommen und wir sind nun eifrig am Gange, auf feindliche Flieger zu schießen. Wieder mal etwas anderes. Doch nach einigen Schuß muß man sich schnell verdrücken, dann gibts Kartusch[e?] wieder. Meinen Geburtstag verbrachte ich noch ganz nett, ging gegen Abend zu unserem Küchenunteroffizier und der hat mir und meinem Zugführer da einen Grog gebraut, der sich wohl sehen lassen konnte. In der Nacht bekam ich wieder Last mit meinem Fuß, schwoll an und voll Eiter. Glaubte mich schon in Deutschland, doch am Morgen war die Sache durch, und nun geht es wieder leidlich. Fortsetzung: [S.] 3
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[Blatt 3]
Fortsetzung von Seite: 181 Frankreich.
12. April 1918
Größere Märsche werde ich in nächster Zeit wohl nicht mitmachen können. Vorläufig halten wir es hier im Graben ja auch noch aus. Die Sonne scheint warm, die Artillerie ballert immerzu, unsere Flieger sind oben. Das ist ein eigenartig, hundertstimmig Lied der herumfliegenden Geschosse und Sprengstücke. Vom Frühling merkt man nichts. Alles zerschossen und verwüstet, vernichtet. Einzelne Baumstümpfe sagen, daß alles, wo wir liegen, früher schöner Birken- und Fichtenwald war. Gewesene Herrlichkeit und nun endlose Leere, mit Trichter an Trichter, mit Graben an Graben, mit Drahtverhau an Draht. So führen wir ein Leben, oder als Robinson auf der Insel, und doch unendlich abwechslungsreich. Bald wirds wohl noch anders werden. Franzmann scheint recht nervös zu sein.
14. April 1918
– Gruß bei guter Gesundheit und naßkaltem Wetter. Doch wir haben ja im schwarzdurchräucherten Stollen einen netten Ofen und Franzmann erlaubt es uns, bei augenblicklich nebligem Wetter, den ganzen Tag zu heizen. Sogar fürs nötige Kleinholz sorgte er, denn er hat den ganzen Wald mit Stumpf und Stiel kurz und klein zerschlagen. Wollen hoffen, daß wir diesen Vorrat nicht ganz aufbrauchen, sondern eher nach Muttern fahren können. –
15. April 1918
Im Stollen. Die Tage laufen schnell hier und nüchtern. Morgen sind wir wieder zehn Tage am Graben, d. h. die ersten Tage war ich im Hornlager, hatte die erste Gruppe, erster Zug, stellte Signalposten. Schöner Bunker und gutes Leben. Am 10., meinem 25. Geburtstag, war ich bei Carnebogen (Kuchen-Kaffeezeit [?]) zum Grog und am 11. kam ich hierhin zum 5. l[eichten?] Maschinengewehr [?]7. Gute Gruppe, habe nur vier Mann,
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Möglicherweise spricht Beckmann hier von einer Maschinengewehrabteilung, die Truppeneinheiten zugeteilt waren.↩
[Blatt 4]
aber friedlich und viel Gesang. Ungefähr am K2 (zweiter Kampfgraben) sind wir noch in erster Stellung. Liegen auf der Treppe. Nun ist die Witterung kalt und regnerisch. Feuer tut gut. Wann ist nur Friede? Hoppe (vor Monaten in Neuville beim Handgranatenwerfen leicht am Fuß verwundet) schreibt noch nicht. Ich bin wütend und lasse die Flöhe beißen. Alles ziemlich ruhig. Wir bekommen Ersatz. Sonst nichts Neues.
22. April 1918
Mitternacht vorbei. Komme soeben vom Grabendienst. Rauche, um meine Nerven zur Ruhe zu bringen. Mit zwei Mann Begleitung kontrolliere ich die einzelnen Posten. Die beiden Begleiter muß ich mir erst aus einem weit entfernten Bunker holen. Schleiche dann mit dem Revolver in der einen, der Leuchtpistole [in der anderen] durch den Graben, immer bereit, in jedem Augenblick mich zu verteidigen. Vor uns liegen Schwarze, da heißt es auf der Hut sein. Unsere rückwärts eingebauten schweren Maschinengewehre beschießen dauernd die 4 km hinter Franzmann parallellaufende Römerstraße, die nicht viel befahren wird. Franzmann befunkt mit vielen Ratsch-Bumm (Flachbahn Geschütze) die Maschinengewehre und den Knüppeldamm. Diese gefürchteten Granaten fliegen eben über unsere Köpfe und landen vielfach bei uns im Graben. Gestern wars ebenso, heute aber konnte man nervös werden. Sonst Ruhe. Viele Parolen, gutes und schlechtes Wetter. Die beiden letzten Nächte war's gut, davor hats tüchtig gefroren. Flöhe plagen wie Läuse. Noch immer Paketsperre. Vorgestern feindlichen Flieger abgeschossen. Sonst dasselbe Leben. Habe nun 16 Mann. Acht Mann stehen Sappe, vier Mann gehen (je zwei) mit mir Patroille [sic], und vier Signalposten, außerdem das Maschinengewehr.
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[Blatt 5]
Wohne in der alten Schreibstube. Alle acht Stunden zwei Stunden Grabendienst. Viel Artilleriefeuer, gegenseitig.
23. [?] April 1918
Bei bester Gesundheit herzliche Grüße. Meinem Fuß gehts besser. Hier dasselbe Leben. Die letzte Kriegsanleihe ist ja großartig. Hoffentlich bringt sie den baldigen Frieden.
25. April 1918
– – – Immer dasselbe Leben. Die ganze Nacht und gestern hat es hier gewittert. Wohlmöglich [sic] bekommen wir bald anderes Wetter. Bald kommen wir wieder ins Ruhelager. Die Zeit läuft mit Riesenschritten. – – – –
26. April 1918
Dasselbe Leben. Vorgestern und die Nacht andauernd Gewitter. Nachts rege Artillerietätigkeit. Unsere Maschinengewehre beschießen die Römerstraße. Noch immer Paketsperre, doch soll sie aufgehoben sein. Richthofen gefallen, allgemeine Trauer. Vor uns andauernd französische Patroillen [sic], doch wir auch. Franzmann arbeitet stark am Draht. Vor drei Tagen griffen wir rechts an. Auch bei uns starkes Artillerie- und Minenfeuer. Franzmann war dann in der Nacht recht nervös.
26. April 1918
Sitze zurzeit gemütlich, das heißt, was man hier gemütlich nennen kann, und habe mir soeben eine schöne Tass[e] Kaffee gebraut. Reinen Bohnenkaffee, hatte noch einen Löffel voll, und ist mal was anderes als ewiges Rübenwasser. Alle drei [T]age gibs ja auch mal süßen Tee und Punsch. Die schönen Zeiten von früher sind nicht mehr. Mir gehts sonst gut. Morgen [in der] Nacht gehts wahrscheinlich auf zehn Tage ins Ruhelager. Da kann man doch mal als Mensch leben. Beim ewigen Hocken im Stollen versaut man doch ganz. Zehnmal kann [man] sich waschen, in fünf Minuten ist man wieder dreckig, und dabei wenig Wasser. Kannst glauben, so gewisse Saubrüder, die sich da in zehn Tagen
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[Blatt 6]
nicht waschen, die sehen mal erst aus. Die zehn Tage Ruhe genügen bei weitem nicht, um sie wieder zu Menschen zu machen. Schöne Sache, nicht wahr? Dazu kommen Läuse und Flöhe. Oft kann man blödsinnig werden, wenn sie nachts so bös [?] herumspringen, und man kann sie nicht fangen. – – –
29. April 1918
Luneville. M[eine] l[iebe] Mutter! Schreibe mal wieder links. Bin wieder leicht, wie mans nimmt, verwundet. Das kam so: Vorgestern Abend wurden wir abgelöst. Ich hatte noch von 22–0 Uhr Grabendienst. Es war dunkel. Ich schieße eine Leuchtkugel oben auf den Grabenrand (gewaltiges Granatloch) ab, und das Biest krepiert im Rohr. Folge: Oberlippe kaputt, vorderen Zähne lose, geschwollener Kopf. Wird bald besser sein. Ferner rechte Hand etliche Ritschers und gehörig verstaucht. Letzteres natürlich Hauptsache. In 14 Tagen wird wohl alles in Öl sein. Wo ich hinkomme, noch unbestimmt. – – – – N[ota] B[ene] [?] bin nun in Rethel. Adresse auf Umschlag. Hier ist's schön. – –
1. Mai 1918
Rethel. – Links schreiben fällt schwer. Mir gehts gut. Gestern geröntgt. Verpflegung sehr gut. Ebenso wie 1915 in Osnabrück. Rechne mit 14 Tagen. Jedenfalls gute Ruhepause. –
3. Mai 1918
Mir gehts gut. Kanns hier wohl aushalten und wünsche nur, länger zu bleiben. Doch wer weiß. Letzte Nacht waren feindliche Flieger hier, da muß alles in die bombensicheren Keller. Liegen in Rethel, Verpflegung sehr gut. – – – – – –
7. Mai 1918
Kriegslazarett. [5f] [?] schon acht Tage hier. Am 27. abends 1430 Uhr sollten wir abgelöst werden. Von 10–12 Uhr hatte ich letzten Grabendienst. Beim linken Sappenposten habe ich Unglück mit der Leuchtpistole. Das Geschoß explodiert beim Abschuß im Rohr. Ein gewaltiger Knall. Alles Feuer. Ich fliege vom
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großen Trichterrand etwa 3–4 m in die Tiefe. Meine beiden Begleiter richten mich auf. Ich blute stark und überall. Meine Brille ist weit weg (später wiedergefunden). Die beiden bringen mich in Uhlmanns Unterstand (Zugführer), dort verbunden. Dann zum San[itäter-]Unterstand. Abermals verbunden. Gesicht, rechter Arm usw. Kompanieführer und Zugführer Abschied (wären gerne mit), dann Verbandsplatz Jagdhaus. Spritze gegen Tetanus (Wundstarrkrampf). Dort bleibe ich bis zum anderen Nachmittag. Dann kommt der Sanitätswagen und nun gehts über freies Gelände rückwärts. Franzmann erkennt die Rote Kreuz Fahne an und schießt nicht. Die Fahrt geht zur San[itäts-]Kompanie in Epoye, viele Bekannte treffe ich noch; Abschied. Am andern Tage (Morgen) mit der Kleinbahn nach Juneville8, dort Verpflegung. Kann aber nichts herunterkriegen, von wegen dicken und kaputten Kopf. Dann nach Rethel ins Lazarett. Verpflegung recht gut.
7. Mai 1918
L[iebe] M[utter], du siehst, es geht wieder. Tägliche Massage. Heiße Luftbäder sind sehr gesund. Mir gehts gut. Habe seit zehn Tagen keine Post mehr erhalten. Donnerstag ist Christi Himmelfahrt. Hoffentlich sind wir bald zu Hause.
5. Mai 1918
Nachtrag. Kanns wohl aushalten. Kann schon bald wieder schreiben. Bleibe aber noch. Wenn's glückt, bekomme ich einen Schreiberposten. Der Arzt sprach davon. Hoffentlich glückt es, dann säße ich noch einige Zeit sicher. Liegen direkt neben der Kirche, ein großes Lazarett. Gehe abends zur Maiandacht. Das sind schöne Stunden. – –
8. Mai 1918
Es geht mir schon wieder tadellos. Die Verletzungen gehen zu, die Zähne werden wieder fest. Nur das Handgelenk ist noch krank.
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Die Ortschaft Juniville liegt zwischen Epoyé und Rethel. Alle anderen Orte sind deutlich weiter entfernt. Berücksichtigt man, dass Beckmann kurz darauf nach Rethel gefahren ist, liegt nahe, dass hier Juniville gemeint ist.↩
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10. Mai 1918
Dank für d[einen?] Brief. Auch die andere Post bekomme ich von der Kompanie nachgeschickt. Werde wohl Schreiberposten im Operationssaal bekommen. Schicke mir bitte Mütze und Wickelgamaschen. –
12. Mai 1918
Wollte einen Brief schreiben, muß aber erst in der Stadt Papier kaufen. Bekam gestern zwei Paketchen von Dir. Mir gehts gut. Habs gut getroffen. Im Handgelenk noch Schmerzen, sonst alles in Ordnung. Die Zähne werden wieder fest.
14. Mai 1918
Kriegs-Lazarett 51b. Deutsche Feldpost 55. – – Geht gut. Bin täglich mit im Operationssaal und sehe noch zu. In einigen Tagen soll ich schreiben, denn den ich ablösen werde, der ist ¼ Jahr hier, eine Zeit, die ich auch wohl bleiben kann. Das Lazarett ist groß, besteht aus a und b. Im Ganzen gegen 2000 Betten in einer großen Schule und unzählige Baracken, direkt neben der Kirche, auf einer Anhöhe gelegen. Es steht ganz unter katholischem Einfluß. Von fünf verschiedenen Orden sind an 200 Schwestern tätig, außerdem zahlreiche Frater, also Ordensbrüder, die die Dienste als Krankenwärter versehen. Daneben sind auch noch Rote[s-]Kreuz[-S]chwestern tätig. Ein ziemlicher Betrieb. Verpflegung ist gut. Morgens um 8 Uhr gibts Milchkaffee und zwei dicke Schnitten Brot, eine Weiß- die andere Schwarzbrot mit Butter, und um 10 Uhr ein Brötchen mit Wurst und Butter, dabei eine Tassen Bouillon. Um 12 Uhr gutes Mittag und satt. 15 Uhr Kaffee und zwei Schnitten Brot mit Butter und abends ebenso mit belegtem Brot und Suppe. Jedenfalls kann man's dabei aushalten und lebt besser als in Deutschland. Sonst ist das Leben auch immer dasselbe. Die Zeit läuft schnell, die letzten Tage gabs viel Regen. Doch das ist auch ein Vorteil, denn dann kommen
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die feindlichen Flieger nicht, um Bomben zu werfen. Etliche Male waren sie schon hier, dann heißt es, in die überall angelegten Fliegerkeller klettern. Jedenfalls ist's strenger Befehl. Augenblicklich ist viel Betrieb an der Front. Mackensen soll hier sein, und das andere kannst du ja wohl denken. Urlaub ist weiter gesperrt, man sagt, bis August. – –
18. Mai 1918
Morgen ist Pfingsten. Habe Glück, daß ich hier sitze, da doch die Offensive losgehen soll. Habe augenblicklich wenig Zeit, es kommen viele Verwundete, da gibt's viel Arbeit. Allmählich gewöhnt man sich an Wunden, sie sind oft gräßlich. Doch wo man lernen kann, da mach ich mit.
20. Mai 1918
Fröhliche Pfingsten am zweiten Pfingsttage. Wunderbares Wetter. Es herrscht augenblicklich strenge Zensur, der Bruder von Petersen ist auch gefallen.
23. Mai 1918
Bei guter Gesundheit Grüße. Kanns hier wohl aushalten. Sie nun täglich im Operationssaal, schreibe die Krankenblätter und lange mit an. Das[s] Letzteres nicht grad angenehm ist, kannst du wohl denken, da wir viele und recht, recht schwere Fälle haben. Doch alles wird Gewohnheit und erst hieß es eben, Zähne zusammenbeißen. Wenn nichts dazwischenkommt, kann man bis drei Monate so eine Stelle halten. Das Wetter ist schön, nur bald zu warm. Eben zog ein Gewitter über die Gegend, die Luft ist wunderbar. Nachts kommen die Flieger, dann gibts Fliegeralarm, und die Fliegerkeller sollen immer reichlich besucht werden. Da mach ich nicht mit. Das Feuerwerk da draußen ist entschieden schöner. Sonst nicht viel Neues. Urlaub ist noch immer gesperrt.
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[Blatt 10]
Wie ist es dort, alles recht knapp? Da müßtest du mal ein halbes Jahr hierhin kommen, bei dieser Soße kann man sich erholen. –
25. Mai 1918
Habe zur Zeit meine Arbeit. Schreiben und Mithelfen bei den Operationen. Es kommen viele und schreckliche Fälle vor. Erst gestern Abend mußten wir einem Mann das rechte Bein oberhalb vom Knie abnehmen. Für mich ist es eine gute Schule. Man lernt viel, da man viel sieht und überall mit anfassen muß. Immer noch strenge Zensur. Wetter ist trübe, tüchtig abgekühlt.
28. Mai 1918
Gestern Abend und diese Nacht mächtigen Zuwachs, alles überfüllt und kolossale Arbeit. An der Front gings gut und hoffentlich so weiter.
27. Mai 1918 [sic]
Post wird überprüft. Aufdruck dienstlich geprüft. Militär. Überwachungsstelle.
29. Mai 1918
Mächtige Wärme. Liegen ja in Baracken, und wenn die Sonne darauf brennt, wird die Hitze bald unerträglich.
[Fortsetzung Blatt 10 nächstes Kapitel]
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