Teil II: Rückkehr nach Glandorf, Schuldienst, Nebentätigkeiten, Vereinsleben, Freizeitaktivitäten und Inflation
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[Überschriften nach originalem Tagebuch: Meine l[iebste] Maria: die Zeit meiner Heirat und meine Kinder / bei Bühners]
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25. Dezember 1918
Der Krieg ist zu Ende. Vom Lazarett in Camenz und Schlesien fuhr ich mit einem Schnellzug in die Heimat. Die Züge waren übervoll. Meine Karte lautete über Osnabrück zum Ersatz-Bataillon Randburg. Sobald ich bei Muttern war, ging ich zum Schloß und bekam vom Soldatenrat Osnabrück meine Entlassung. In den Kammern am Schwarzen Platz bekam ich noch besseres Zeug und Schuhe. Damit war ich entlassen. Nachträglich kam noch meine Beförderung zum Vize-Feldwebel. Ich hatte eben im Felde einen falschen Katechismus.
Am 2. Dezember ging ich zur Regierung zum Regierungs- und Schulrat Dr. Linnartz, da ich mich in Hamburg abgemeldet hatte, wollte ich in der Nähe von Osnabrück bleiben. Iburg und Glandorf wurden mir vorgeschlagen. Da der Kreisschulrat (Pastor Köster von Glandorf) am nächsten Tage zur Regierung kam, sollte ich dann wiederkommen. Die Zwischenzeit benutzte ich zu einer Fahrt nach Hamburg. Die Fahrt ging auf Urlauberschein. In Hamburg wurden die Sachen gepackt, ich machte etliche Abschiedsbesuche, dann gings mit schwerem Koffer (Bücher) zur Bahn. Meinen Urlaubsschein hatte ich mit dem Vermerk "Gültig zur Rückfahrt in die Heimat, Arbeiter und Soldatenrat, gezeichnet Beckmann" versehen, doch der
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Bahnbeamte wollte mich nicht durchlassen, da der Hamburger Stempel fehle. Also hin. Zwei Stempel wurden sofort d[a]runtergesetzt, dann gings mit dem Schnellzug nach Haus. Auch der Kontrollbeamte im Zuge erkannte meine Arbeiter- und Soldatenrats-Unterzeichnung als voll gültig an. Das machte viel Freude.
Als ich nun zur Regierung in Osnabrück ging, war meine Anstellung in Glandorf (am 3. Dezember 1918) schon herausgegangen. In Glandorf kannte ich die Eltern von Joseph auf der Landwehr. Dort wollte ich erst mal unterkommen. Die Fahrt nach Glandorf ging über Lengerich, Lengerich-Laer Kleinbahn, Laer-Glandorf zu Fuß. Man brauchte damals gut einen halben Tag, um hin- oder zurückzukommen. Bei Quedden Holzschuhmacker (auf der Landwehr, oder Bühner) gute Aufnahme. In Glandorf sitzt aber noch Fräulein Gasseling. Ich soll das arme Mädchen vertreiben. Wir einigen uns, daß wir uns den Monat teilen. Ich beginne am 15. Dezember 1918. Pastor Köster schickt mich zur Vertretung nach Glane, doch die dort erkrankte Lehrerin war gerade wieder angefangen. Die Zeit bis zum 15. Dezember bleibe ich zu Hause bei Muttern. Am 15. beginnt der Dienst. Ich wohne bei Quedden, oben die Schlafstube für mich. Sonst esse ich mit am Tisch. Es ist alles noch recht knapp, doch freue ich mich, so liebevoll
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und billig zu wohnen. Im Anfang zahle ich 65 Pf., bis später 2 RM täglich. Paulus Bühner und ich sind gute Freunde, Alex Herbermann schließt sich an. Viel Unsinn machen die drei, doch davon später. Tagtäglich kommen Truppen zurück. Hier im Walde sind wieder mehrere Granaten stehen geblieben, werden vernichtet. Bei Pöhlers unterm Schuppen ein ganzes Faß mit Heringen. In fünf Minuten war es leer. Durch die ewige Einquartierung wird das Dorf total verlaust. Da wir bei Bühners, auf der Landwehr auch Einquartierung hatten, war es selbstverständlich, daß ich auch wieder Tierchen bekam. Ich glaubte, daß ich dieselben noch mitgebracht hätte, ängstlich war ich ja. Den Abend bei Lumpenlicht ein Suchen, immer fand ich neue, bis Bühners Mutter mir das Rätsel aufklärte. Bühners Page saß steif voll. Da er so ein Unzeug vorher [nicht] kannte, hatte er auch nicht nachgesehen. Nun waren Bühners ihrerseits ängstlich bemüht, mir ihre Läuse zu verbergen, ich umgekehrt und abends war überall heimliche Läusejagd. –
Da nach einem Erlaß Kriegsteilnehmer ohne zweite Prüfung fest angestellt werden konnten, hatte ich mich gemeldet. Die Folge war, daß Regierungsrat Linnarz1 Mitte Januar kam. Ich wurde aus dem Bette geholt, dann vors Bett, Erdkunde Oberklasse. Aufgrund dieser Revision wurde ich fest angestellt. – Durch die Strapazen des Krieges war
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Vorher "Linnartz".↩
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das Herz ziemlich mitgenommen. Die Folgen machten sich in den ersten Jahren nach dem Kriege wohl bemerkbar. Deshalb machte ich eine Badekur in Rothenfelde mit. Die Herzschwäche ist in den nächsten Jahren vollständig ausgeheilt. Mein Gewicht betrug gleich gegen 135 Pfd. Als meine Mutter zu mir zog, stieg es auf gut 150 Pfd. und ist bis jetzt so geblieben. – Da die Zeit nach dem Kriege recht unsicher war, wurde in Glandorf der Nachtschutz eingerichtet. In dem Steltenkampschen Hause (früher Schlösser) war Wachtlokal. Jede Nacht zog eine Doppelpatrouille (vier Mann) bewaffnet mit 98 Gewehren. Ich zog mit Plock. Es waren urgemütliche Stunden. Die Lehrerinnen fertigten jedes Mal, wenn wir kamen, einen Pudding, der nachts während der Runden verzehrt wurde. Einmal haben wir auch zwei Hamsterer festgenommen, ein andermal wollte ich den heimkehrenden Everwin verhaften. Die Leitung hatte Knemeyer. Als dieser nach Füchtorf zog, übernahm ich dieselbe. Interessante Momente spielten sich ab. Pöhler wollte den Nachtschutz belohnen, wenn bei ihm eingebrochen wurde. Eines Nachts war vor unserm Hause eine tolle Knallerei. Paulus und ich heraus. Schwer bewaffnet wollen wir durch die Hinterpforte spähen. Ich will gerade das Tor öffnen, als die Patrouille von der anderen Seite durch will, scheinbar auf der Verfolgung. Ich höre: „Hier
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sind sie durch!“ Ich leise und schnell zurück, daß ich nicht irrtümlich angeschossen werde und schon sitze ich mit beiden Beinen im Dreckloch. Wir beide dann vorne durchs Haus. Die Wache kommt, macht Meldung, bei Pöhlers wäre eingebrochen, man hätte die Diebe verscheucht. Pöhler macht Belohnung. In Wirklichkeit war die Sache aber so, daß die Patrouille beim Dienstmädchen von Pöhler einen nächtlichen Besuch machen wollte, dabei ging eine Scheibe in Trümmer, und nun täuschte man einen Einbruch vor. – Pöhler ließ nun von seinem Hause zu unserem eine Klingelleitung legen. Er konnte drücken, die Schelle befand sich über meinem Kopfende. Wochen ging das gut. Eines Nachts werde ich durch ruckweises Schellen geweckt. Paulus und ich hin. Nichts ist los, es regnet stark. Das Rätsel: Die Regentropfen liefen von einem Draht zum anderen. Die Verbindung war da, es klingelte. In dem Selbstschutz kam dann eine Änderung. Frankreich verlangte Abgabe sämtlicher Waffen. Ich mußte nach Osnabrück, um anzugeben, wie viele Gewehre und Munition vorhanden seien. Ich gab 450 Gewehre an (Tatsachenbestand etwa 600) und keine Munition (wäre beim Übungsschießen verbraucht). Dann kam die Ablieferung. Eine ganze Kiste Munition konnte ich retten, die leeren Hülsen wollte man auch nicht haben. Letztere habe ich später (über 20 Pfd.) in Osnabrück
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beim Althändler verkauft und mir das marmorne Schreibzeug wiedererstanden. Von den Gewehren lösten und behielten wir die Riemen, da ja doch alles vernichtet wurde. Die Gewehre, die ich übrigbehielt, habe ich mit je 30 Patronen an gute Leute verteilt. Jetzt kam eine neue Zeit. Die Organisation Escherich wurde hier eingeführt. Sie galt hauptsächlich dem Kampf gegen den Bolschewismus.
In der Samtgemeinde wurde ich Leiter. In den Bauerschaften hielt ich Aufklärungsvorträge (in Sudendorf, Westendorf, Schwege und Laudiek). Wir bauten Schießstände. Die Unterstützung durch Geld usw. war groß. In Glandorf blühte die Organisation. Wir hatten über 500 Mitglieder. In Glandorf, Hagen und Laer hielt ich Vorträge über den Friedensvertrag von Versailles. Fünf umgearbeitete Militärbüchsen bekam ich von der Gauleitung (Freund-Hilter). Stück 150 RM (Inflationsgeld). Eine behielt ich. Forstrat Escherich kam nach Osnabrück, Stadthalle. Wir waren mit etlichen Leuten hin. Ich wurde persönlich vorgestellt und bekam den Escherich-Knopf. Später wurde die Organisation verboten und war damit tot. Das Scheibenschießen wurde in Sudendorf, Averfehrden und Glandorf fortgesetzt. Das Leben bei Bühner vollzog sich in ruhigen Bahnen. Ländlich-sittlich, und ich machte mit. Oft wurde Bühners Mamma geärgert. „Beckmann bist 'n Schlingel" hieß es, dann war sie wieder gut. Mal schickte ich die Alten in "April". Sollten schnell
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nach Stockhofs kommen, Kuh wurde Kalb. Erst die Mamma hin, dann den Alten. – Bühners Mamma mit der großen Pfauenfeder im Haar, sie wippt und wippt, kommt ein Bauer und meint bedächtig, bist ja höllisch fein, willst zur Hochzeit? Sie schaut in den Spiegel und schimpft. Geraucht wurde stark. Wir bauten den Tabak selbst. Lange Pfeife. Anderer war nicht zu haben. Uns gegenüber, Stahl, rauchte noch dauernd getrocknete Kartoffelschaben. Schöner Geruch. Anfang 1919 hatten wir (Engelhardt und ich) zur zweiten Prüfung gemeldet, der Regierungsrat (traf ihn in Osnabrück auf der Straße) wollte, wir sollten dieselbe noch vor Ostern machen. Ging nicht, da Engelhardt krank war. Also Ende Juli 1919. Vorbereitung bei Quidden gab nicht viel, da am Abend alles in der verqualmten Bude saß. Ich also früh zu Bett und bei Lampenschein (Petroleum) gelernt. Engelhardt und ich gingen im Mai und Juni oft zum Baden und dort wurde gearbeitet. Die Prüfung klappte recht gut. Lehrprobe in der Mädchenoberklasse (den dritten Jahrgang, Religion: Sündflut; Rechnen: Zu und abzählen mit Zehnerüberschreitung; Deutsch: Lesestück Frau Hütt). Zwei Tage vorher bekam ich ein Telegramm und Prüfungsfächer. Nachmittags war mündliche Prüfung (Engelhardt und ich) in Averfehrden. Ich bestand mit „gut". Die Prüfungskommission setzt sich aus dem Regierungsrat Linnartz, Schulrat Wolf und drittem Mitglied Lehrer Suren zusammen. Leider bekam die ganze Sache einen bitteren Beigeschmack durch Plock, der in
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seiner Eitelkeit nicht vertragen konnte, daß Suren mit als Prüfungsmitglied tätig war. Ich war mit dem "kleinen" Mann schon vorher an[ein]ander geworfen. Grund war, daß Suren in meiner Klasse mal hospitierte. Erbärmliche Größe, die außer übertriebenem Selbstbewußtsein nichts aufzuweisen hat als Dummheit. Als ich nun mein Prüfungstelegramm erhielt, machte ich Plock noch Meldung und äußerte nur, daß ich ihm das Wort gönnte "ich muß wohl Stühle und einen Tisch haben!" "Die können sich ja in die Bänke setzen!" war die verbissene Antwort. Ich ab. Abends kam Suren vorbei. Gesprächshalber erzähl ich die Sache, ohne was dabei zu denken. Suren bringt nun während meiner Prüfung alles an den Regierungsrat weiter. Folge: Kein Besuch bei Plock. Dieser hat Essen bestellt bei Herbermann, man ißt bei Kellinghausen, später erkundigt sich der Alte nach dem Grund. Wird teufelswild, kündigt mir das „Du", läuft zur Regierung, schwärzt mich im Lehrerverein an als Denunziant usw. Hat aber keinen Erfolg, denn man kennt ihn überall. Ehebrecht in Schierloh kündigte mir auch das „Du", kam aber nach einem halben Jahre wieder. Er wußte nun besser Bescheid und wurde von Plock ebenfalls übers Ohr gehauen, da er eine Schulvorstandssitzung protokolliert hatte (in Sachen Ehebrecht), die gar nicht gewesen war. Es wäre noch viel zu schreiben, doch der Kerl ist's gar nicht wert. Von 1919 an über
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nahm ich auch einen Teil des Gewerbeunterrichtes in [der] Fortbildungsschule. In den ersten Jahren hatte ich Rechnen und Buchführung. Die Zahl der Schüler 30–60. Zuerst war das schwere Arbeit, als man sich aber durchgesetzt hatte, machte der Dienst Freude. Wohl wurde auch Unsinn probiert (Nägel werfen, Stinkbombe), doch als die Gesellschaft mit den eigenen Waffen geschlagen, als die älteren Schüler die jüngeren erzogen, war bald Ruhe. Später übernahm ich den Zeichenunterricht bei den Metallarbeiten und bei den Holzarbeitern. Dieser Fachunterricht macht Freude. Dann bekam ich die Maurer dazu. Als 1931 die Berufsschule von Gewerbelehrern übernommen wurde, behielt ich nur die Maurer. Kaplan hat hier den Deutschunterricht. Alles andere ist abgebaut. In der Inflationszeit wurde das Gehalt für den Fortbildungsdienst von der Gemeinde bezahlt (vor drei Jahren übernahm der Kreis die Schule). Da konnte man sich für ein ausgezahltes Jahresgehalt einen Schlips kaufen. Meine Fachausbildung habe ich in vielen Kursen in Osnabrück erhalten, die jährlich dort gehalten wurden. Neben dem Fortbildungsunterricht hatte ich etlichen Nebenverdienst durch Privatstunden, besonders Klavier, Geige, Mandoline. Auch die Malerei wurde, besonders in den ersten Jahren, stark betrieben. In den einzelnen Vereinen war ich immer recht rege. 1919 übernahm ich den Gesangverein Sängerlust. Montags wurde gesungen.
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Der Verein besteht schon seit 1846. Einzelne Mitglieder singen schon an die 50 Jahre. Vereinslokal war Schwege erwähnt, die unter anderem für ihre Kegelbahn bekannt war. --- Um Mehr zu erfahren, klicken Sie auf den Link!" rel="noreferrer noopener">Winterberg (oben). Als dieser bauen wollte (Hochzeit Alwine), zogen wir nach Kreimer. Inflation, die Leute konnten nicht mehr den Schnaps bezahlen, also gingen wir in den alten Bau von Torbeck. Später, als dieser bauen wollte, nach Forsthoff-Gülker. Jährlich wurde ein Ausflug gemacht. Wir waren zur Hütte, nach Iburg, Dissen, Münster (zoologische Abendgesellschaft), Füchtorf (Tönnieshäuschen) mehrere Male. Im Mai folgten die Maigänge (morgens 4 Uhr fort). Gesangfeste wurden unter meiner Leitung in Oesede, Müschen, Borgloh und Glane besucht. Bei Herbermann feierten wir ein gut gelungenes Winterfest. Zum Schluß wurde der geliehene Schinken (Theater) aufgegessen. Herbermann Thie war böse. Der Schinken wurde bezahlt. Die Knochen amerikanisch versteigert. Der Erlös brachte mehr, als der Schinken kostete. – Den Gesellenverein haben wir, Engelhardt und ich, wieder auf die Höhe gebracht. Doch ich darf es ruhig sagen, das größte Verdienst gebührt mir. Anfang 1919 wurde ich Vizepräs[ident?]. Die Theaterei wurde in Schwung gebracht. Erst kaufte ich vom Gesangverein die Bühne. Diese wurde ausgebaut. Viel gemalt. Als wir dann 1924 die Passion aufführten, mußten wir eine große Bühne haben. Die jetzige ist nach meinen Vorschlägen mit
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erbaut. Der Vorhang stammt von mir. Engelhardt übernahm von jetzt an die Einübung des Stückes, ich die Ausschmückung. Unser Hauptstück haben wir im Frühjahr vor der Fastenzeit gespielt. Weihnachten folgte Weihnachtsfeier mit kleinen Stücken und Verlosung. Am Hochzeitstag schenkte der Verein mir einen Regulator (1924[?]), den ich aber umtauschte (Barometer). Vom Gesangverein bekam ich die Flurgarderobe. Als der Frauenverein auch Theater spielte, mußte ich regelmäßig helfen bei der Bühne. Das war recht interessant, da sich der Verein immer dankbar erzeigte. Die Jungbauern schlossen sich zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen, ich wurde ihr geistiger Leiter. Die Tagungen monatlich waren bei Alfred Herbermann. Diesen Posten und die Leitung des Gesangvereins gab ich nach dem Tode meiner lieben Frau am 5. März 1931 auf. Den Gesangverein leitet nunmehr Frau Engelhardt. Der 1930 gegründeten DJK, deutschen Jugendkraft, stehe ich ebenfalls mit Rat und Tat zur Seite. Im Übrigen bin nunmehr Pressechef für Glandorf. Erst schrieb ich für den Warendorfer Anzeiger, dann habe ich nunmehr das Iburger Kreisblatt und die Osnabrücker Volkszeitung. Durch diese Schreiberei habe [ich] manchen Groschen Nebenverdienst gehabt.
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Der Dezember 1929 brachte allein beim Iburger Kreisblatt 76 RM. Jährlich machten wir mit dem Gesellenverein unseren größeren Ausflug. So ging die Fahrt nach Tecklenburg (Freilichtspiel Wilhelm Tell), nach Iburg, Iburger Berge, zum Hermann, nach Münster, Hohensyburg, Möhnetalsperre Arnsberg. Der schönste Ausflug war 1924 zum Eucharistischen Kongreß nach Amsterdam. Von dort Fahrt über den Zuiderzee, dann nach Haag und Scheveningen. Vier Tage dauerte die Fahrt. In Amsterdam wurden wir von Herbermann (Bruder von Alfred H.) geführt. Reichsmuseum. Die Große Prozession im Stadion. Mehrere 100000 Menschen. Plock war auch mit und hat uns köstliche Stunden gemacht (durch seine Hilflosigkeit, Wolf und Geiz). 1930 war in Glandorf die Jungmännertagung des Kreises Iburg. Ich hatte die Leitung. Klappte vorzüglich. Die Tagung wurde auf Stockhofs Hof in Averfehrden gefeiert. Als meine Mutter noch in Osnabrück wohnte, bis Ostern 1923, fuhr ich in den Ferien regelmäßig dorthin. Oft machte ich die Fahrt mit dem Rade. Dieses, ein englisches Rad, hatte ich nach dem Kriege von Kahle für 80 RM gekauft und bis 1925 gefahren. Dann kaufte ich von Recker ein neues Modell mit Ballonreifen. In den ersten Sommerferien besuchte ich (1919 Juli) den Kriegskameraden Petersen, der in Husum
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Bankbeamter [war]. Eltern wohnten in Hattstedt, zwei Stationen nördlich [von] Husum. Tagsüber ging ich auf Jagd (Enten), oder zum Strand (Baden). Zu Fuß am Strand nach Husum, dann fuhren wir durch die Halligen, Nordstrandisch-Moor, Pellworm nach Nordstrand. Am Dampfer trieb noch eine Mine (vom Krieg) vorbei. Am Strand von Nordstrand war am Tage vorher noch eine explodiert. Mehrere lagen am Ufer. Es waren schöne Tage. Mit Anton Thiemann und H. Feldkamp machten wir 1920 unsere erste Harzreise. Morgens fuhren wir von Osnabrück ab. Nachmittags in Goslar. Die Sehenswürdigkeiten wurden mitgenommen (Kaisersaal, Kirchen, Kapellen, Uhr). Dort übernachtet. Am Sonntag Kirche. Dann zu Fuß weiter. – Altenau. – Übernachtet. – Okertal, Harzburg – von dort zum Brocken. Mit der Bahn herunter, Steinerne Renne, Wernigerode. Mit der Bahn [nach] Rübeland, Höhlen, durch das Bodetal bis Thale. Alles mitgenommen. Im Anschluß habe ich die Harzreise aufgezeichnet. Mehrere Jahre später ging es zu Fuß den Rhein herauf. Wir fuhren rechtsrheinisch bis Mainz. Hier französische Besatzung. Ein Viertel (beim Dom) nur Militär (Schwarze, Weiße, Gelbe). Von dort fuhren wir bis Rüdesheim. Zum Niederwalddenkmal, zu Fuß weiter, dann Dampferfahrt bis Koblenz. Überall Franzosen. Ehrenbreitstein noch besetzt. Die in Mosaik (hinter Ehrenbreitstein) ausgelegte Kirche besucht. Mit dem Dampfer weiter bis
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Bonn. Dann nach dem Rolandsbogen, Königswinter (war gerade Schützenfest). Mit der Bahn nach Köln. Übernachtet im Gesellenhaus (vorher auch mit Generalprüfer [?] Hürth verhandelt). Nach schöner Fahrt über Düsseldorf nach Haus. Die nächsten Fahrten machten wir mit dem Rade. Engelhardt und ich fuhren im nächsten Jahre. Bielefeld, Hermann, Externsteine, Paderborn, Stromberg, Warendorf zurück. Den folgenden Sommer wurde die schöne Weserreise gemacht. Mit der Bahn von Rothenfelde bis Paderborn über Bielefeld. Dann Radfahrt nach Warburg. Von dort mit der Bahn bis Kassel und nun die Weser herauf bis Hameln. In Kassel den Park, Wilhelmshöhe, Schloß, Kaskaden (in Betrieb). Von Hameln bis Melle zur Heimat. Acht Tage. Im zweiten Jahre nach der Hochzeit fuhr ich mit Maria zur GeSoLei in Düsseldorf. Die englische Besatzung (Wache vor dem Hotel in Köln recht interessant), die Engländer (sonst artige Leute) waren fort. Drei Tage in der GeSoLei. Alles gesehen. Mit der Bahn rechtsrheinisch bis Koblenz. Dampferfahrt bis Köln. Gesellenhaus übernachtet. Dann zur Heimat. Auf dem Rückweg besuchten wir von Münster aus Schwester Änne, die in Handorf in Pension war. Wir haben viel Freude gehabt. Jetzt kam das Motorrad zu Recht. Im nächsten Sommer gings mit Aug. Schmidt über Minden, Hannover nach Celle, bei Engelhardt
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übernachtet. Am nächsten Tage über Braunschweig bis Thale. Der dritte Tag brachte die Harzreise. Erst zum Drachenfels, Rübeland, (Höhlen), Schierke, zum Brocken hinauf, zurück, über Braunlage nach Goslar, nach Hildesheim. Alles in einem Tage. Von dort ging die Reise über Hameln, Hermann, Paderborn, Warendorf, Glandorf. 1930 ging die Reise (Aug. Riese Schmidt und ich) zum Süden. Erster Tag zum Möhnesee. Dort trafen wir Engelhardt. Weiter über Arensberg, Siegen, Wetzler, Gießen. Wunderbare Gegend. Frankfurt am Main, dann Rhein zu bis Mainz, Rüdesheim, den Rhein herauf, in 3 übernachtet (sogenannte Kaiserzimmer). Wunderschöne Aussicht auf den Rhein. Über Köln, Düsseldorf, Duisburg durchs Ruhrgebiet nach Hause. Hinter Duisburg bei vollem Tempo auf schlüpfriger Straße Sturz mit dem Rade. Alles gut gegangen. Ein Jahr vorher war ich bald 14 Tage in Duisburg bei Alfons Epping gewesen. Überall rund. Von dort auch die Pressa in Köln besucht. Abends großartiges Feuerwerk aus Anlaß Geburtstagsfeier Hindenburgs. Auf unserer ersten Rheinfahrt mit Engelhardt in Köln die rheinische Jahrtausendausstellung besucht. Eine interessante Fahrt machte ich auch, als Tine Gescher (mit dem Auto) nach Bottrop umzog. Die Rückfahrt ging durchs ganze Sauerland (Höhlen).
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An entsprechender Stelle ist in der Handschrift eine Lücke. Anscheinend hat Beckmann vergessen, den Namen des Ortes einzutragen.↩
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eine wunderschöne Fahrt war die nach Borkum, meine Maria, damals meine Braut, lernte im Erholungsheim Meeresstern die Küche. In den Herbstferien hatte ich mich angemeldet (1922) und blieb dort zehn Tage. Die Überfahrt von Emden nach Borkum war glänzend, es war schon gegen Abend. Um 22 Uhr kam ich mit der Inselbahn im Städtchen an. Maria holte mich ab. Dann haben wir schöne Tage verlebt. Maria hatte nachmittags immer frei. Die Tage gingen zu schnell. Leuchtturm, Baden, Schießübungen am Abend der Festungsartillerie nach schwimmenden Scheiben. Tante Nette, Tine und Otto Gescher waren auch einige Tage dort. Otto sollte baden. Die Fahrt nach Amsterdam habe ich schon beschrieben. Mit Maria bin ich noch etliche Male losgewesen, wohl nicht weit, aber schön, nach Osnabrück zum Theater, nach Rothenfelde, nach Münster zum Zoo, zur Zoologischen Abendgesellschaft, zum Zeppelinbesuch in Münster (Zeppelin und 30 Freiballons[?]). Zum Flugtag nach Osnabrück (Maria, Opa und Änne), nach Gescher (Ausflug nach Gervele [sic]4 ). – In der Junggesellenzeit bei Quedden5, oder Bühmer oder Auf der Landwehr führten wir ein recht interessantes Leben. Waren wohl jeden Tag zusammen, dann hierhin, mal dorthin, schießen, Baumstämme sprengen, auch helfen bei der Arbeit, bei den Bienen, Wespen ausräuchern. Abends saß ich bei der
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Familie, gelernt, geschrieben, erzählt. Es war ein schönes Leben. Die Verbindung mit der Stadt war nach dem Kriege recht dürftig. Erst fuhr Nießen Postwagen nach Iburg. Von dort mußte man über Lengerich. Die Fahrt nach Münster oder Osnabrück konnte bis [zu einem] Dreivierteltag [?] dauern. Um 1920 herum begann Wacker mit einem umgebauten Auto Fahrten nach Kattenvenne. Das schlief aber bald wieder ein. Sch[we]nn-Buller hatte nun die alte Postkutsche von Nießen Tante gekauft und fuhr nun nach Kattenvenne. Nach diesem fuhr Deuthagen-Hagedorn mit dem Wagen dorthin. Dann wurde das Postauto eingeführt und besteht ja heute noch. Eine Linie nach Rothenfelde ging wieder ein. Ebenso nach Warendorf, doch ist letztere im letzten Jahre wieder eingelegt. Sonntags fährt von Münster ein großer Wagen nach Rothenfelde und zurück. Die Glandorfer Eier- und Butterhändler haben alle große Gesellschaftswagen. Wacker zwei, Eggert, Recker zwei, Buller, Weßler Schmied fährt mit zwei Personenwagen. – Das Feuer hat in meiner Glandorfer Zeit schon viel Schaden angerichtet. Mehr denn Wasser. Winter 1927 war eine große Überschwemmung. Anna war gerade nach Rothenfelde. Auch dort war Hochwasser. Mutter mußte, um nach Böckmanns zu kommen, von der Post an durchs Wasser schreiten, das dort quer über die Straße kam. Die letzte große Über-
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schwemmung war am 4. Januar 1931. Der Blitz schlug verschiedentlich in Häuser und Bäume. Kinder steckten Häuser in Brand, sonst etliche Großfeuer (Hagedorn (angesteckt Rolfes), Söteber, Stahl, Glied, Altenau, Herbermann usw. Kemper, Hilkmann, Altenaus usw.). Ich selber hatte großes Glück. Ich hatte auf meiner Kammer bei Bühner neben dem Fenster einen kleinen, halbkreisförmigen Tisch. Darauf stand die Petroleumlampe, lagen Kämme, Bürsten usw. Darüber hing ein großer Spiegel. Ich war aus der Schule gekommen, wollte zur Klavierstunde, wasche meine Hände. Die Waschschale stand neben dem Tisch auf dem Stuhl. Ich lege also die brennende Zigarre auf den Tisch. Vorsichtig. Gehe fort. Als ich nach zwei Stunden wiederkomme, ist der Tisch leergebrannt, der Zylinder geschmolzen, sonst nicht. Der Spiegel lag in tausend Scherben im Zimmer, alles direkt neben der Gardine und sonst nichts geschehen. Von der Zigarre muß Asche auf einen Kamm gefallen sein und später ist alles abgebrannt. Keiner hat etwas bemerkt. Es war ein großes Glück dabei, sonst wäre das Haus niedergebrannt und keiner hätte gewußt, wie? – In der Schule läuft das Leben egal weiter, Besonderheiten, individueller Unterricht, wie man ihn gerne treiben möchte, kann nicht zur Anwendung kommen, da Plock für sowas nicht zu haben ist. Der Schulbetrieb könnte ganz anders sein. So läßt man eben
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alles schlüren. Im Personal haben wir schon viel Wechsel gehabt (Fräulein Gasseling, Dauber, Scholle, Timmel, Hofschulte, Raschke, Drop, Wedig, Brockmeyer, Schmidt, Döllmann, Hagedorn), aber keiner ist ohne Krach mit [bestimmten?] Leuten geschieden. Fräulein Ficker und Haushälterin Bartels wurden regelrecht weggebissen. Die üblichen Visiten sind in den letzten Jahren eingeschlafen. Gott sei Dank. Es war immer eine tüchtige Arbeit. Wir mußten die Herrschaften infolge Platzmangels zweimal nehmen. Mit der Schule ging es früher nach Vinnenberg. Ich setzte dann durch, daß die Reise weiterging. Und so kamen wir nach Iburg, Rothenfelde, Münster, Hermann, Paderborn, Stromberg. 1931. Unsere Spielfeste mit den Schulen feierten wir auf einer großen Wiese in Schwege. In den ersten Jahren waren mir nach Rothenfelde, einmal nach Müschen, und einmal auf unserm Spielplatz (hier war Glandorf allein). Im Sommer wurde fleißig gebadet. Ich bin oft mit der Schule losgewesen. August Schmidt habe ich aus einem Volk der Bever herausgeholt, Alfons Hoyer (bei einer Spielerei) bei Schierhölters Schütt. Dabei verlor ich auch meinen Zahnersatz (Brücke mit vier Backenzähnen). Große Freude machte 1930 unser berühmt gewordener Fischzug in Vinnenberg. Max Jostes, Döllmann, Wirlemann, der Bruder, ich, Buller, Die[k] Opa, Biedendiecks, später Schmidt usw. los. Der Wachtmeister schnappt uns. Wir glauben uns im Recht und der Mann
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wurde fürchterlich aufgezogen. Folge Strafmandat für Max, Wirlemann, Döllmann, Wirlemanns Bruder, mich. Max noch verdonnert wegen Beamtenbeleidigung. Beschwerde eingereicht. Eigentümlicherweise haben Döllmann und ich nicht bezahlt. – Zwischen Münster und Telgte fuhren Engelhardt und ich mit dem Rade auf dem Prozessionsweg. 3 Mk Strafe. Zum Schiedsrichter wurde ich zweimal gefordert. 1919 mit Hamer, den ich in einer Versammlung angriff, dann mit Herbermann Bierhalle, dessen Sohn ich wegen fortgesetzter Lügen usw. bestraft hatte. Bin natürlich überhaupt nicht hingegangen. Als ich Dienst am Thie hatte, zeigte ich beim Wachtmeister Gemt ein sehr stinkendes Auto aus Düsseldorf [an]. Gegen meine Absicht wurde der Mann mit 10 Mk bestraft. Er leugnete, Folge Gerichtsverhandlung in Iburg. Strafe blieb bestehen. 1925? entwarf und malte ich die Glandorfer Kirchenkrippe. 1929/30 schafften wir neue Figuren an. 1930/31 baute ich die Krippe weiter aus. Leider sind die Zeiten zu schlecht. Als die Stoffmalerei aufkam, habe ich auch hier viel gearbeitet. Etliche schöne Sachen verkauft. Für das hiesige Krankenhaus fertigte ich für Festtage einen Altar- und Tabernakel-Schmuck. –
Die Wahlen verliefen im Orte immer ruhig. In Glandorf habe ich recht oft mitgeholfen, ebenso bei den Kirchenvorstandswahlen. Im Schulvorstand
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[Blatt 95]
gab es in den letzten Jahren recht interessante Sitzungen. Vor Ostern 1931 war die denkwürdige Sitzung bei Kellinghausen, wo der Schulvorstand den Neubau einer Schule wegen der schlechten Zeit ablehnte. Die Sitzungen spielen sich in einer gehässigen und persönlich feindseligen Form ab, die nicht mehr schön ist. Pastor Köster und Plock haben das Vertrauen nicht mehr. Die Leute sind zu lange für dumm gehalten und verkohlt worden. Im letzten Jahre lief dann auch die Untersuchung wegen falscher Angabe der Zahl der Schulkinder. Die Sache ist genau untersucht, das Ergebnis wurde nach Außen vertuscht. Man will wissen, daß Plock 8000 RM Beschulungsgelder aus eigener Tasche zurückgezahlt hat. –
Die Feuerwehr feierte Juli 1931 ihr Verbandsfest des Kreises in Glandorf auf dem Gerding-Bevermannschen Hofe bei unserm Hause. Große Sache. Ich habe gut geholfen. Wurde mit zum Ehrenmitglied ernannt. Die Handwerker hatten 1930 in Oesede große Ausstellung. Zu dem Festzug hatte ich eine Glandorfer Gruppe "Glandorf einst und jetzt" zusammengestellt. Unsere Gruppe war über 200 m lang, mehrere hundert Teilnehmer. Zur selben Zeit hatten wir die Ausstellung auch mit Zeichnungen der Berufsschule beschickt. Die Zeiten der Inflation waren auch recht
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interessant. Von heute auf morgen war der Geldwert um die Hälfte gefallen. Im Juli 1923 bekam ich eine Gehaltsnachzahlung von etwa drei Millionen Mark. Ich ging sofort mit Oma los und kaufte bei Torbeck einen blauen Anzug, bei Recker die Nähmaschine, bei Schliehe-Dieks das Eßservice. Als ich im Hause war, hatte ich schon das Doppelte verdient. Nach Hagen mußte abwechselnd eine[r] hin, um für alle das Gehalt (von Escher, der von der Regierung holte) zu holen. Schwer bewaffnet mit einer großen Aktentasche voll Geld kamen wir wieder. Anfang November war ich mit den gesamten Kirchensteuern nach Osnabrück. Es waren etwa 260 Billionen Mark = etwa 600 Goldmark. In Osnabrück wollte ich Wertpapiere dafür kaufen. Als ich dort bei der Bank ankam, war das Geld schon die Hälfte wieder gesunken. Ich kaufte alsd[e]nn Roggenpfandbriefe (das einzige Papier, das noch zu haben war) zu 14 Mk den Zentner (Goldmark). Nach 14 Tagen kam dann der Umschwung.
Die Roggenpfandbriefe fielen von 14 Mk auf 6 Mk. Also blieb von dem ganzen Gelde nicht viel mehr übrig.
Fortsetzung: Seite: 65
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