Januar – März 1917
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[Überschrift nach originalem Inhaltsverzeichnis: 1917]
[Fortsetzung Blatt 243]
1. Januar 1917
Montag. Das neue Jahr wird dadurch eingeweiht, daß wir bis 9 Uhr schlafen. Um 930 Uhr ist im „Neuen Zelt" Gottesdienst. Exzellenz ist selber dort. Nachher gibts Teepunsch, Butterbrot und zwei Zigarren. Unsere Leute fahren nach Nollendorf-Platz, ich gehe nach Bad Baldon. Wunderbarer Wald, unendlich hoch und schön. Gewaltig dicke Tannen, dick mit Schnee beladen. Am Ende liegt Baldon, ein schönes Nest. Vollständig weiß hebt sich das imposante Schloß vom dunklen Hintergrund. Im Soldatenheim nichts los, aber im Zirkus alles voll. Große Halle, etwa 30 m lang, 20 m breit. Hoch und nett.
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[Blatt 244]
Kino und Varieté. Um 18 Uhr zurück. Zwei Mann von der Kompanie bringen Löhnung. Abends gearbeitet.
2. Januar 1917
Ausgabe, doch mich kümmerts wenig. Habe mehr mit meinem Ofen zu tun. Kalt, Holz naß, will nicht brennen. Sergeant Meyer fährt Urlaub. Wenn ich nur mitfahren könnte, ich glaub, ich habe Heimweh. Abends Marketenderei.
3. Januar 1917
Letzte Nacht war an der Front ein mächtiges Feuer von 3–5 Uhr. In der Neujahrsnacht war es ein Überfallversuch der Russen. Natürlich zurückgeschlagen. Wir haben heute Artillerie zubekommen. Wohl 21 cm. Ein Armierungs-Bataillon wird verladen. Proviantmeister nach Neugut. Abends die Kameraden von Arb. [?] KDO1 und Unteroffizier Hohaus besucht. Gleich will ich gründlich mich reinigen. Paket vom "Kränzchen Stern" aus Hamburg erhalten (Wurst).
4. Januar 1917
Von Rothenfelde und Caplan Schulte, Hamburg, bekomme ich je ein Weihnachtspaketchen. Schön. Mittags kommt Clasen zurück. Es herrscht ein unheimlicher Schneesturm. Strecken alles verweht. Abends mit Clasen bei Stumpf und Weiß.
5. Januar 1917
Und es taut, doch nur eine Stunde. Clasen und ich lassen heute von den Russen eine gepolsterte Eckbank bauen. Wird einfach schön. Die Betten stehen auf der anderen Seite und vom Ofen habe ich den Verputz abgeschlagen. An der Front allerlei Feuer. Gestern soll unser Bataillon alarmiert sein. Weiß noch von nichts. Heute von Fräulein Cordes und Theo aus Melle je ein kleines Paketchen bekommen. Heute greifen die Russen mittags zweimal bei 409 an. 80–90 Russen liegen an einer Stelle
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Vermutlich Kavalleriedivision [Ost?].↩
[Blatt 245]
vor unserem Drahtverhau. In drei Wellen kamen sie an. Wir haben an 30 Tote und über 100 Schwerverletzte. Unteroffizier Bohs, sonst beim Divisions-Stab, ist auch gefallen. Abends bei Weiß und Stumpf bis 0 Uhr Karten gespielt.
6. Januar 1917
Sonnabend. Ausgabe. Arbeite mit Clasen zusammen. Mittags kommt Offizier, Stellv[ertreter?] Harbeck und ißt bei uns mit mir zusammen. Mächtige Schneegestöber. An der Front viel Feuer. Die Russen bekommen von uns Flankenfeuer. Morgens werden die Schwerverwundeten verladen. Abends mit Stumpf, Clasen und Weiß Karten gespielt.
7. Januar 1917
Sonntag. Der Russe ist bei Mitau durchgebrochen. Er wollte zum russischen Weihnachten in Mitau sein, erzählten Gefangene. An der Front starkes Feuer überall. Unser Bataillon rückt heute Abend von Merzendorf2 nach Mitau ab zur Verstärkung usw. Meine Kompanie bleibt in Nollendorf als Divisions-Reserve. Artillerie rückt auch ab, von uns und der 6. R[eserve-]D[ivision?]. Nachmittags mit Unteroffizier Hohaus zum Kino nach Baldon. Um 20 Uhr kommt unser Bataillon auf der Fahrt nach Mitau durch. Viertelstunde Aufenthalt. Dann gehts weiter. An der Front wirds ruhig.
8. Januar 1917
Ausgabe. Front Ruhe. Wohl die Stille vor dem Sturm. Bekomme von Jürgensen meine Post der letzten Tage. Etwa 14 Briefe, sehr nett. Bei 405 haben die Russen unsere Drahtverhau[e] zerschossen. Ausfallöffnungen in den ihrigen hindern uns mit Gewalt den Wiederaufbau der Hindernisse. Tagsüber mit Clasen gearbeitet.
9. Januar 1917
Bekomme ein Weihnachtspaketchen von A. Mader. Es ist seit drei Tagen Briefsperre. Der Fesselballon steht den ganzen Tag. Bei Mitau soll's bös hergehen. Die Russen stehen nur 3 km vor
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Mencendarbe. ↩
[Blatt 246]
Mitau. Bei uns an der Front still. Abends mit Clasen bei Weiß und Stumpf bis 0 Uhr Karten.
10. Januar 1917
Mittwoch. Ausgabe. Wir müssen Verpflegung für zehn Tage anfordern. Bei Spalle3 wird noch eine Verteidigungslinie gebaut. Nach Mittag arbeiten Clasen und ich an unserer Bude, haben 50 Sandsäcke (z. T. Seide) von den Pionieren bekommen. An der Front tiefe Stille, nachdem es gegen Mittag ganz nett knallte. 21 cm schießen sich ein. Lebhafte Lichttätigkeit. Abends um 22 Uhr noch bei Stumpf und Weiß, dort auch Leutnant Röhn. Bis 1 Uhr gesessen.
11. Januar 1917
Morgens und nachmittags gearbeitet, gelesen usw. Um 14 Uhr mit Clasen nach dem Walde, von Kümmel photographiert. Unglaublich dicker Schnee. Morgen gehts los zur Kompanie. Die feige Gesellschaft hat nicht den Mut, mir das selbst zu sagen. Sachen packen. Morgens brachte Jürgensen mir ein Paketchen Zigarren und von der Post bekomme ich zwei mit Kuchen und Zigarren von Fräulein Hemesath.
Nachmittags bekomme ich noch meine Löhnung gebracht. Abends mit Clasen bei Stumpf und Weiß Karten. Diese [sind] drei recht anständige Kerle, doch der Köhler ein Lump, der mich beim neuen Proviantmeister verleumdete. Seine Bummeleien wußte er dadurch zu verdecken, daß er untrüglich in meine abgeschlossenen Bücher größere Eintragungen machte, z. B. einmal 10000 Ztr. Hafer. Schon stimmte die Rechnung nicht. Da ich mir das nicht gefallen ließ, mußte ich fort.
12. Januar 1917
Freitag. Morgens, nachdem die Sachen gepackt, verschiedene Sachen, so da sind, Butter und Karten und Briefe beschafft. Um 11 Uhr mit dem Postschlitten zur Kompanie gefahren. Komme in den 2. Zug, 1. Gruppe bei Unteroffizier Dammann auf Veranlassung von Runge. Nach dem
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Vermutlich eine Ortsbezeichnung. Welchen Ort Beckmann meint, konnte noch nicht abschließend geklärt werden. ↩
[Blatt 247]
Essen mit der Kompanie zum Holzholen. Zwei Mann schleppen einen Baum zur Küche. Nachdem ich verschiedene Kameraden besucht, Briefe schreiben. Abends Zeitung lesen und um 2030 Uhr ins Bett gehen, ist ganz nett.
13. Januar 1917
Um 615 Uhr wird aufgestanden, und um 730 Uhr angetreten. Ich fahre mit Jürgensen um 8 Uhr nach Skarbe4, um Post zu holen. Um 12 Uhr sind wir wieder da und haben einen mächtigen Hunger mitgebracht. Es gibt Nudelsuppe, um 14 Uhr holen wir wieder Holz, doch sind bald wieder zurück. Abends nochmals nach Alfred Hoppe, der einen Klappenschrank baut. Meine Balalaika hole ich auch. Um 21 Uhr gehts zu Bett.
14. Januar 1917
Sonntag. Um 7 Uhr auf. Wir fuhren nach Skarbe5 zur Post. Clasen ist wieder nach Neugut. Köhler führt die Ausgabe. Nach Mittag arbeite ich auf der Schreibstube bei der Post, da wir die ganze Bataillons-Post haben. Der Abend vergeht im gesellschaftlichen Beisammensein. Um 2030 Uhr schlafen.
15. Januar 1917
Morgens um 9 Uhr nach Skarbe6 zur Post. Jürgensen fährt nach Mitau zum Bataillon. Ich habe die Post mit Moltzen. Um 1330 Uhr sind wir damit fertig. 14 Uhr Unterricht über "erfrieren". Unser Bataillon liegt bei Punkten, hat etwa 40 Mann Verluste. Morgens beim Antreten liest unser Hauptmann die Angriffsbefehle der Russen bei Mitau vor. Sie waren zwei Armeekorps. Sibirische Schützen und fr[eiwillige?] Letten. Abends nochmal nach Alfred Hoppe.
16. Januar 1916
Um 545 Uhr hoch. Helfe auf der Schreibstube bei der Post. Um 8 Uhr fahren wir nach Skarbe7, es ist sehr kalt. Viel Post, so daß wir stramm durcharbeiten bis 15 Uhr. Exzellenz war morgens bei der Kompanie, die gerade exerzierte. An der Front Ruhe. Abends um 2030 Uhr schlafen.
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[Blatt 248]
17. Januar 1917
Mittwoch. -21 °C, gegen Abend bedeutend kälter. Die Kameraden vom Bataillon haben viel von der Kälte zu leiden. Keine Unterstände. In Skarbe8 kommt der Zug infolge [von] Truppenverschiebungen eine Stunde später. Jürgensen kommt von Mitau zurück. Es ist nur Briefpost da, für mich nichts. Um 15 Uhr bin ich auf dem Aussichtsturm, aber infolge der vielen qualmenden Ofen ist die Luft unklar. Der Abend vergeht langsam und langweilig.
18. Januar 1917
Morgens nach Skarbe9, es ist sehr kalt. Heute ist mehr Post. Ich bekomme zwei Briefe. Einen von Mutter und einen von Lisb. Epping. Um 14 Uhr ist Mittag und gleich darauf Verpassen der Gasmasken im Stuckraum. An der Front Artilleriefeuer. Abends geschrieben und gelangweilt. 2030 Uhr zu Bett.
19. Januar 1917
Morgens nach Skarbe10, es ist ein wunderbares Wetter, aber kalt. Kaufe noch für meine Kameraden ein. Nachmittags helfe ich bei der Post. Deutscher Flieger energisch von den Russen beschossen. Währendde[ssen] beschießt unsere Artillerie die Insel Borkowitz. Um 1330 Uhr bin ich mit Runges Fernglas auf dem Nollendorfturm. Das Wetter ist klar und die Aussicht weit. Abends Balalaika gespielt und früh zu Bett.
20. Januar 1917
Morgens Post abgestempelt und nach Skarbe11. Um 11 Uhr kommen wir schon zurück. Nachmittags Jürgensen geholfen. Stärkeres Artilleriefeuer. Deutscher Flieger sehr tief, nur mit Gewehren beschossen. Balalaika gespielt.
21. Januar 1917
Sonntag. Die Kompanie geht zum Gottesdienst, ich fahre gleich mit nach Skarbe.12 Den ganzen Tag Artilleriefeuer. Als wir um 11 Uhr schon wieder kommen, ist vor dem Hauptmannsunterstand noch Konzert. Es ist nicht so kalt, bei Alfred Hoppe hole ich den „Flieger von Tsingtau", lese und verteile nachmittags die Post.
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[Blatt 249]
Abends mit einem Kameraden zum Bahnhof Sille13, um Unteroffizier Weimann zum Bierabend einzuladen. Abends viel Feuer an der Front.
22. Januar 1917
Morgens zur Post. Wenig da. Die Artillerie ballert tüchtig. Sonst nichts Neues. Gewehrreinigen und gemütlich verbringen wir den Abend.
23. Januar 1917
Nach Skarbe14, ist empfindlich kalt. Es schneit etwas. Nach Neugut und Mitau darf keiner mehr fahren. An der Front ist einer unserer Überläufer erschossen.
24. Januar 1917
Mittwoch. Um 330-6 Uhr machen die Russen bei uns I /41015 Angriffe. Einen Toten haben wir. Die Russen sind auf der Düna liegen geblieben. In Skarbe16 ist Empfangstag. Es ist nicht so kalt.
25. Januar 1917
Es hat etwas geschneit. Nach Skarbe17. Nachmittags Gewehrappell. Abend zwei Flaschen Wein, die ich von Skarbe18 mitgebracht, in der Gruppe vertilgt.
26. Januar 1917
Kaisers Geburtstag. In Skarbe19 sind Marketenderwaren angekommen. Ich bringe Keks für meine Gruppe mit. Der Alte hats Eiserne bekommen. Morgens war nur Appell mit kurzer Ansprache. Abends kam Bier. Eine gemütliche Stimmung herrscht in der Bude. Beim Schlafengehen wird noch bös Klamau [sic] gemacht.
28. Januar 1917
Sonntag. In Skarbe20 nichts Neues. An der Front Ruhe. Um 5 Uhr morgens kam Befehl, die G[arnisons?]leute nach Sille21 zum Maschinengewehr-Kursus als Führer. Heute viel Post. Zur Feier des Tages bekam gestern jeder eine Fleischdose auf Veranlassung S[einer] M[ajestät]. Nach der Parole Bekanntmachung von anscheinend dicker Luft. Eifrig werden die
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[Blatt 250]
Sachen eingepackt. Man befürchtet einen Gasangriff. Abends um 23 Uhr kommt noch Leutnant Nüß. Wir müssen die Gasmasken mit ins Bett nehmen. Sonst Ruhe.
29. Januar 1917
Montag. Morgens nach Skarbe22. Erhöhte Gasbereitschaft. Es bleibt aber ruhig. Heute brachte die Bahn wieder viel Post, nur ich bekam nur einen Brief von Mutter. Gegen Nachmittag setzt erneute Kälte ein, gegen Abend weit über -20 °C.
30. Januar 1917
Sehr kalt, sonst tagsüber dasselbe. Nachdem ein ordentlicher Nachmittagsschlaf gehalten, wird gelesen. Mittags auf den Turm. Riga gut zu sehen. Nachts so kalt, daß wir eine Feuerwache stellen.
31. Januar 1917
Sehr kalt. Nach Skarbe23. Abends mit drei Mann zum Kino nach Sille24. Ist ein nettes Gebäude, die Hindenburghalle, schade, daß nur so wenig Besucher dort waren. Musik spielte danach. Pflicht. Es ist sehr kalt. Nachmittags wurde ein russischer Flieger von uns erfolgreich beschossen.
1. Februar 1917
Dienstag. In Skarbe25. Bekomme von Fräulein Petersen ein Paketchen mit Eiern. Es geht das Gerücht, daß wir in den Graben sollen. Abends wirds kälter. Bleibe bis 23 Uhr auf Feuerwache. Nachts -33 °C.
2. Februar 1917
Kalt. Nach Skarbe26. Abends eine große Birke [für] Brennholz auf einen Schlitten geholt. Der verschärfte U-Boot-Krieg ist erklärt. An der Front ist es still geworden. Abends die alte Kälte. Die größte mitgemachte Kälte in Rußland war -42 bis -44 °C.
3. Februar 1917
In Skarbe27 für meine Gruppe große Einkäufe. Tagsüber häufig deutsche und russische Flieger in großer Höhe beschossen. Die Kälte bringt viele erfrorene
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[Blatt 251]
Ohren, Nasen und Finger. Unser schweres Geschütz beschießt Riga. Abends nicht so kalt wie gestern.
4. Februar 1917
Auf dem Wege nach Skarbe28 eine scheußliche Kälte, -35 °C. Dabei ein schneidender Wind. Von Tante Nette Wurstpaket. Nachmittags russischen Flieger erfolglos beschossen.
5. Februar 1917
Morgens Bekanntmachung von der Kriegserklärung Amerikas. Die Stimmung ist sehr gespalten. Was bringt nur die Zukunft? Abends fahr ich nochmal nach Skarbe29, Post ist natürlich nicht da. Die Witterung ist nicht so kalt. Nur -20 °C. Der Mond hat einen großen Ring.
6. Februar 1917
Kälte läßt nach, heute Abend nur -6 °C. Es ist ein wunderbares Wetter. Tagsüber Schneetreiben. Meine Post kam nicht, der Tag verläuft in gleichmäßiger Langsamkeit. Parolen von Kriegserklärungen Hollands [und] Dänemarks sind im Rundlauf. Unser Bataillon soll wieder in Stellung kommen. An der Front einiges Minenfeuer, sonst Ruhe. Abends wirds kälter.
7. Februar 1917
Wieder kalt. In Skarbe30 nichts Neues. Die Heimatpost bleibt aus. Abends leisten Alfred Hoppe und ich uns eine Flasche Rotwein. Es gibt doch noch gemütliche Stunden.
8. Februar 1917
Morgens Alarm, großer Kampf, dann, nachdem wir lange Zeit bei großer Kälte feldmarschmäßig auf dem Appellplatz gestanden, erzählt uns der Hauptmann, das Ganze sei nur Probe. Mit Hallo in die Buden, dann nach Skarbe31 zur Post. Von Fräulein Petersen erhalte ich ein Butterpaket, tadellos, denn alles ist alle. Ein russischer Flieger wird erfolgreich beschossen,
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[Blatt 252]
dann gings hinauf auf den Turm, der russige [sic] Fesselballon stand hoch und Riga war gut zu sehen.
9. Februar 1917
Freitag. Die Kälte hat nachgelassen. Den ganzen Tag steht das Thermometer auf 0 bis 10 °C. In Skarbe32 dauert das Postholen bis 13 Uhr, da alles importiert ist. Sonst dasselbe Leben.
10. Februar 1917
An der Front viel Feuer.
11. Februar 1917
Im Lager Gottesdienst, nach Skarbe33 und sonst dasselbe. Die Witterung wird wieder kälter. Abends um 1930 Uhr geht's nach den Leib-Garde-Husaren, dort machen wir unserer 5 [sic] uns einen gemütlichen Abend bis gegen 1 Uhr.34
12. Februar 1917
Montag. Morgens zu Fuß nach Skarbe35, der Wagen fährt heute. Es geht das Gerücht, wir sollen zum Bataillon, das noch bei Mitau liegt. Flieger.
13. Februar 1917
Morgens und Nachmittags werden deutsche Flieger scharf beschossen. Wir erwarten Angriff und Gasangriff der Russen.
14. Februar 1917
Morgens kommt Nachricht, daß das Bataillon wieder kommt. Dann nach Skarbe36, wenig Post. "Hinko" (Spitzname Divisionär) ist inzwischen bei uns gewesen. Das Bataillon soll erst entlaust werden, darum soll bei der Entlausungsanstalt auch nachts gearbeitet werden. Tagsüber deutsche Flieger von Rußki beschossen. Wir haben Einquartierung von der Exerzierschule. Gegen 830 Uhr kommt das Bataillon (drei Kompanien) mit Regiments-Musik von Merzendorf37 an. Ein schöner, feierlicher Einzug, dem eine freudige Begrüßung folgt.
15. Februar 1917
Heute war ich wohl das letzte Mal nach Skarbe38. Die Briefpost bleibt wieder aus, da der Zug entgleist ist. Nachmittags setzt großes Schneetreiben ein, der Abend ist ruhig.
16. Februar 1917
Mache mit der Kompanie Arbeitsdienst beim Läuseleum. Nachmittags ist
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[Blatt 253]
Appell mit Gasmasken, dann gehts in den Stinkraum. Von Mutter bekomme ich Post (von der Beisetzungsfeierlichkeit Dr. Degens).
17. Februar 1917
Morgens wird an der Entlausungsanstalt gearbeitet, d[ie] mächtig fortschreitet: „Hinko" kommt und spricht den Kriegern vom 3. Bataillon seine Anerkennung aus. Tag verläuft sonst ruhig.
18. Februar 1917
Sonntag. Morgens bei starker Kälte zweimal Appell. Gegen Mittag beschießen die Russen unaufhörlich zwei von unseren beobachtenden Fliegern. Hoffentlich ist bald Friede.
19. Februar 1917
In der Nacht sind wir auf -33 °C gekommen. Morgens gehts bei schneidender Kälte nach Skarbe39, um beim Pionier-Depot Sachen fürs Läuseleum zu bestellen.
20. Februar 1917
Morgens mit zur Wache eingeteilt. Um 13 Uhr ziehen wir auf. Ein [Mann?] bei der Bagage. Abends wirds kälter. Die Füße sind die reinsten Eisklumpen.
21. Februar 1917
Gestern Abend gegen 2045 Uhr schweres Trommelfeuer in der Richtung der 6. R[eserve-]D[ivision?]. Hält eine halbe Stunde an. Mittags Löhnungsappell mit Appell im Anzug. Von 16 Uhr an schlafen.
22. Februar 1917
Morgens mit einem Mann auf bay[erischem?] Schlitten nach Merzendorf40, um Butter fürs Läuseleum zu holen. Flieger. Nachmittags auf der Bude.
23. Februar 1917
Morgens exerzieren, dann Arbeitsdienst beim Wegebau (Schneeschaufeln) nach dem Wittenbergplatz heraus. Nachmittags dasselbe. Flieger. Wir erwarten stark[en] Angriff der Russen. Abends wirds kalt, sehr kalt, doch schlägt am 24. Februar 1917 die Witterung um. Den ganzen Tag haben wir Schneewetter
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[Blatt 254]
Morgens gehts zum Schneeschaufeln, ein eisiger Wind. Abends zum Bataillon. Soll Langbehn vertreten, der auf Urlaub fahren will.
25. Februar 1917
Sonntag. Morgens und nachmittags auf dem Bataillon gearbeitet. Um 15 Uhr mit meiner Gruppe zum Entlausen. Zwei Mann [hat] das Zeug total verbrannt. Große Schweinerei.
26. Februar 1917
Montag. Tagsüber beim Bataillon. Die Urlauber dürfen noch nicht fahren, erst übermorgen. Neue Einteilung. Abends Skat gespielt. Dann bis 0 Uhr Befehle rund gebracht.
27. Februar 1917
Führe das Journal, viel Arbeit, bis abends 0 Uhr gelaufen. Wetter ist mild, es taut mehr. An der Front sonst Ruhe. Werde zum Bataillon ziehen.
28. Februar 1917
Mittwoch. Langbehn fährt auf Urlaub. Viel Arbeit. Die Beförderungslisten werden eingereicht. Nur unsere Kompanie steht zurück. Unteroffizier Dammann wird Unterfeldwebel [?]. Abends schon heraus. Um 2330 Uhr schlafen. Front Ruhe. Etwa -2–4 °C.
1. März 1917
Morgens von 7–8 Uhr exerzieren. Alles muß eintreten. Den Tag über gearbeitet. Schlafe von heute auf dem Bataillon. Abends die Befehle noch rund gebracht.
2. März 1917
Morgens gearbeitet. Nachmittags ist Waffenrevision. Das Wetter ist wunderbar, nur -7 °C. Unsere Flitzer werden tüchtig beschossen. Abends wirds kälter. Über -20 °C.
3. März 1917
Morgens gearbeitet. Mittags Flieger. Exzellenz von Scholz kommt durchs Lager zur Besichtigung. Große Aufregung im Lager. Gegen 17 Uhr plötzlicher Feuerüberfall durch die Russen. Waldlager Eser wurde beschossen. Sonst Ruhe und Kälte. Den ganzen Tag Zahnweh.
4. März 1917
Sonntag. Feldwebel Steffen fährt auf Urlaub. Vertretung hat Feldwebel Behrens.
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[Blatt 255]
Kalt. Nachmittags werden EK verteilt, den Leuten von der Ar[tillerie?]. Leutnant Ratje EK I, naja. Zwei Burschen des Majors, vier Telephonfritzen, etliche Melder. Die Stimmung ist schlecht und mit Recht. Leute, die noch nicht draußen waren usw. Keine Leistungen wegen Tapferkeit vor d[em] F[eind?]. Gute Führung. Aus Druck machen viel. – Den ganzen Tag Zahnweh, Erkältung.
5. März 1917
Mittags kommt Nachricht, sollen 3/40541 ablösen. Große Aufregung und Freude, denn wir waren schon als fliegendes Bataillon bestimmt. An der Front Ruhe, das Wetter kalt.
6. März 1917
Um 9 Uhr wird die Kompanie eingeteilt. Ich bleibe in der 1. Gruppe, 2. Zug, werde aber mit zum Bataillon ziehen. An der Front sollen die Vorbereitungen für das bevorstehende Tauwetter getroffen werden. Unser Bataillon soll morgen um 6 Uhr abmarschieren. Die 12. Kompanie kommt in Reserve, wir kommen in die alten Stellungen von damals. Von Muttern und Fräulein Petersen Paketchen erhalten. Abends alles gepackt und erst spät gegen 0 Uhr rund mit den Befehlen zu den Komp[anieführern?].
7. März 1917
Morgens um 530 Uhr auch den Rest gepackt. Dann unseren Stabsschlitten und Stabswagen gepackt. Meine Sachen auf ersteren, um 730 Uhr gehts los. Die Komp[anien?] sind um 6 Uhr abmarschiert und wurden in Sille42 von der Regiments-Musik abgeholt. Das Wetter ist kalt. Vor Bondomeier liegt unser Bataillonsstand, sehr nett eingerichtet. Liege mit drei Burschen (zwei vom Major) zusammen. Nachdem alles etwas in Ordnung gebracht, gehts an die Arbeit. Essen gibts wohl nicht.
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[Blatt 256]
Unsere Kompanien liegen in den alten Stellungen von damals. Morgens habe ich noch die elektrischen Anlagen abgenommen.
8. März 1917
Nachts sehr kalt. Morgens natürlich wenig Kaffee, kein Essen. Gestern Abend nur dünne Wasserreissuppe. Mittags dünne Suppe ohne Fleisch, aber abends bekommen wir unsere Verpflegung, die die Küchen zur Gefechtsbagage gebracht haben. Bekomme außerdem einen Stahlhelm. Abends spät zu Bett.
9. März 1917
Freitag. Bin mittags zum Telephonunterstand gezogen. Nachmittags auf Jagd nach einem angeblichen Spion, der aber nachher Unteroffizier der 2. Kompanie ist. Unweit unseres Unterstandes wurden mehrere schwere Geschütze aufgebaut. An der Front tiefe Stille, den ganzen Tag Schneetreiben.
10. März 1917
In der Nacht hat es eine nette Lage Schnee gegeben. Die Russen haben Ablösung bekommen, den ganzen Abend durchgesungen. Unsere Kompanien bekommen auch Minenwerfer, das Bataillon sechs Stück. Morgens bis mittags gearbeitet. Abends kommt Meldung, daß Rußki seine Division ablöst. Artillerie und Infanterie sollen schießen. Sonst die Nacht kalt.
11. März 1917
Sonntag. Morgens bis mittags gearbeitet, dann mit Alfred Hoppe spazieren zum 21 cm, das die Bahn bei Oger43 beschießen soll. Das Wetter ist wunderbar und an der Front Ruhe. Feindliche Flieger. Rußki hat auf unsere Divisions-Front 13 Batterien und zwei Flakzüge (zwei schwere Batterien) [gerichtet?]. Wir etwa mal soviel.
12. März 1917
Morgens und nachmittags gearbeitet. Urlaub gibts nun mehr
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Ogre. ↩
[Blatt 257]
16 Tage. Die Offiziere sollen zu Gunsten der Mannschaften verzichten. Feindliche Flieger. Sonst dasselbe. Mache eine Skizze von der Stellung mit eingebauten Granatwerfern.
13. März 1917
Unser Hauptmann vertritt von heute an unseren Bataillons-Kommandeur, der zur Vertretung des Regiments-Kommandeurs von 405 geht. Tagsüber ziemlich kalt. Mal Skilaufen geübt und in den Schnee geflogen. Die 9. Kompanie hatte gestern einen Toten, der beim Postenstehen durch Halsschuß fiel. Gegen 21 Uhr setzten die 21 cm. Einige den Russen hinüber. Sonst Ruhe an der Front.
14. März 1917
An der Front Ruhe. Mittags vertreiben wir uns eine Stunde mit Skilaufen. Den ganzen Tag Ruhe und Friede. Die Abende sind sehr dunkel.
15. März 1917
Es ist heute nicht so kalt. Ruhe.
16. März 1917
Freitag. Nachts sehr kalt. Morgens fangen unsere Geschütze an zu schießen. Das 21 cm arbeitet mit dem Flieger. Radio. Habe mir die Sache näher angesehen. Bei unserm Bataillon steht der Funkerturm. Tadellos. Nach 36 Schuß haben unserer sich eingeschossen. Der Flieger bekommt schweres Feuer, verschwindet gegen Mittag. Etliche Sprengstücke sausen uns um die Ohren. Nachmittags setzt das Geschütz mit dem Wirkungsschießen ein. Ziel war die Ogerbrücke44.
17. März 1917
Zog ich wieder zur Kompanie und werde zuerst zu den g.v.45 gesteckt. Es ist sehr kalt. Weit über -20 °C.
18. März 1917
Der Graben ist gut, wie damals und frei von Schnee. Wird bei der Schmelze noch eine böse Schweinerei geben. Bin gut 2,5 Stunden
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[Blatt 258]
bei den Kameraden. Die Sonne hat einen großen Ring, es gibt anderes Wetter und abends setzt schon das Tauwetter ein (Schneewetter).
19. März 1917
Nach gutem Schlaf bin ich mit mir uneins, so[ll?] ich in den Graben gehen oder hierbleiben? Wäre lieber im Graben. Will noch Rat holen.
20. März 1917
Es schläft sich besser in Frieden, und die da vorne müssen mächtig arbeiten. Vizefeldwebel[?]. Gott, oder die [sic] liebe Gott will mich gerne haben, aber halte es hier noch aus. Was macht nur Rußland? Die Zeiten sehen böse aus und stehen im Zeichen der Kriegsanleihe. Die Vertrauensmänner bei uns haben schwere Arbeit, wenngleich der Hauptmann jedem Zeichner eine oder drei Mark zugeben will. Ist doch alles Krampf, wenn man bald Schluß wäre.
Abends kommt eine neue Sache. Flugblätter in russischer Sprache sollen mit Granatwerfer und Luftballon oder durch Stoßtrupps in die feindliche Stellung gebracht werden. Sie werden mit großem Hurra die Revolution in Rußland verkünden, die Russen werden überlaufen, die Frontsoldaten wollen nicht mehr. Hurra, die Phantasie eines überspannten Jungen. Hoffentlich schlägt das Mittel doch an. Und nachts wirds kalt, weit unter -20 °C und die Knochen frieren.
21. März 1917
Um 645 Uhr gehe ich los in den kalten Wind nach Skarbe46 und Merzendorf47. Weit ist der Weg, an 30 km. Müde, doch schön war der Weg. Flieger in der Luft, heftig beschossen von Rußki. Zur Kriegsanleihe wird viel Reklame gemacht, in den Truppenlagern hängen Schilder mit auffordernden Inschriften; wie: „Hast du Geld zur Krigesanleihe“, "Wer nicht
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[Blatt 259]
zahlt, dient dem Feinde!“ und ähnliche Schriften mehr. Ist es schon so weit gekommen? Zahlen muß man schon, es zahlen wohl alle – nur um Frieden zu halten. So ist der Krieg, dahin führt er, doch für viele hat er auch sein Gutes.
23. März 1917
Laufe den ganzen Morgen dienstlich durch die Stellung. Die reinste Hasenjagd, hüben wie drüben. Gestern und heute eifrige Fliegerbeschießung, sonst herrscht Stille. Meine Balalaika ist doch ein liebes Ding, je länger man spielt, je lieber wird sie mir und man lernt auch spielen. Neue Latrinenparole, wir sollen fort. In Rußland scheinen die Dinge gut zu stehen. – Abends gibts Bier, war bei der Küche eingeladen und in Frohsinn verbrachten wir die Stunden, daß wir abends [nach?] dem Spieß noch ein Stündchen brachten, fiel nicht auf. Leider hat die 11. Kompanie am Abend einen Toten zu beklagen.
25. März 1917
Gestern und heute zahlreiche Fliegerbeschießungen. Heute ist ja Sonntag. Morgens war bei der Bereitschaftskompanie evangelischer Gottesdienst. Ich hin. Als ich mittags nach Sille48 muß, ist in der Hindenburghalle Konzert und Vortrag. Alles recht nett und schön. Das Wetter ist stürmisch, um 0 °C. Es ist der Anfang vom Tauwetter. Gott sei Dank.
26. März 1917
5 °C. Der schönste Frühling und Tauwetter. Rußki ist bei uns ruhig, während er bei 409 andauernd Minen wirft. Die Ansichten über Rußland sind geteilt, doch erhoffen alle bald eine entscheidende Wirkung zu Gunsten des Friedens. Abends, als ich mein Gewehr einschießen will, nehme ich natürlich ein falsches.
27. März 1917
Es taut. Rußki holt in der Nacht seine spanischen Reiter vom Eis der Düna,
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Silene.↩
[Blatt 260]
sonst herrscht Frieden. Rußki hat ein beschriebenes Brett aufgestellt, können den Inhalt aber nicht lesen. Abends bekomme ich mit Jürgensen in Streit, Ursache ist das Gepäck unseres Feldwebels. Wird schon in Ordnung kommen, aber mit dem Streithahn werde ich noch ein Hühnchen rupfen. Unsere oberen Häupter sind in Aufregung, denn im Graben hat einer eine hundsgemeine Inschrift auf eine Reklametafel zur Kriegsanleihe geschrieben. Die Sache ist gemeldet.
28. März 1917
Morgens bringe ich den Feldwebel zur Bahn, wie gerne wäre ich mitgezogen nach der Heimat, doch keine Aussicht, da kommt mal wieder das Heimweh und keine Stimmung kann es verscheuchen, ob ich Balalaika spiele oder singe. D[o]ch das Soldatenheim ist schön. Zwei Schwestern sind da und eine sogar sehr niedlich, man fühlt sich mal richtig wieder unter Menschen, und alle verzehren ihre Buttertolle mit Kaffee mit großem Appetit, wenngleich die Tasse nur 1 Mk Pfand kostet. Zurück geht mit Unteroffizier Romeikat, der eben vom Urlaub zurückkommt. Doch kalt wars wieder, und daß ich mir eine anständige Erkältung geholt habe, merke ich schon nachmittags.
29. März 1917
Flieger und Flieger-Beschießung und Einzelfeuer. Kälte am Morgen, Tauwetter am Mittag und grimmige Kälte am Abend. Unter -20 °C. – Von Tante Maria ein Paket Zigaretten und Butter. Wahrlich, an Fettigkeiten kann man nicht verderben noch sterben.
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[Blatt 261]
Latrinenparolen überall. Haarschneiden, Rasieren, Bartstutzen, alles für 30 Pf. Im Graben schon Wasser, und abends ne Eisbahn. Abends beim Hauptmann mit Unterschriften. Kein Schuß fällt. Es frieren die Fäuste. Kein Schuß fällt. Der warme Ofen tut wohl.
30. März 1917
Nach großer Nachtkälte wieder Tauwetter und abends setzten Schneestürme ein. Ich habe zwar Kopfschmerzen, scheinbar vom Magen, das tadellose Abendessen schmeckt doch vorzüglich. Rußki ist ziemlich ruhig, doch heulen mir einige Blei-Bohnen[?] recht unsanft um die Ohren.
31. März 1917
Der letzte Tag im ersten Viertel vom hoffentlich letzten Kriegsjahr. Mächtige Schneestürme mit Regen, allgemeines Tauwetter und folglich viel Dreck. In den Gruben steht das Wasser an vielen Stellen handbreit tief und der gefrorene Boden hindert ein Einsacken des Wassers. Rußki ist ruhig. Brüllt in der Nacht herüber. In drei Wochen ist Frieden? Das Ganze ist Krampf.
[Fortsetzung Blatt 261 nächstes Kapitel]
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