Methodisches Vorgehen
Eine digitale Edition als Teil einer Digital Public History
Mehr und mehr setzten sich im Zuge des sog. Digital Turns in den Sozial- und Kulturwissenschaften neben konventionell gedruckten Quelleneditionen digitale Quellensammlungen durch, die komplexere Möglichkeiten der Ausgestaltung und damit Vorzüge mitbringen. An diese Entwicklung anschließend wurde die vorliegende Edition der Beckmann’schen Quellen als Digital Public History-Projekt („Digitale öffentliche Geschichte“) konzipiert und umgesetzt, das auf die Erarbeitung einer digitalen und kostenfrei zugänglichen Edition abzielte.1 Die Veröffentlichung der Quellenfunde in Form einer Digital Public History-Edition unterscheidet sich gegenüber herkömmlichen gedruckten Quellenedition vor allem durch eine sehr niedrigschwellige Zugänglichkeit und hohe Barrierefreiheit aus, sodass sie einer breiten wissenschaftlichen, kulturellen, schulisch-didaktischen und privaten Weiternutzung zu Verfügung stehen: Sie kann von einer großen Menge potenzieller Leser:innen, die einen Internetzugang sowie ein entsprechendes Endgerät besitzen, von zuhause aus kostenlos und ohne weitere Anstrengungen rezipiert werden. Die Edition richtet sich also an ein breites Publikum. Der Internetzugang sowie die technische Kompetenz der Nutzung stellen hingegen gegenüber gedruckten Editionen zusätzliche Barrieren dar. Ein weiterer Vorzug der digitalen Online-Edition sind die weiterhin bestehenden Möglichkeiten der Überarbeitung, Erweiterung und Vernetzung der Edition.2 Dadurch besteht für den Heimat- und Kulturverein Glandorf als betreuende Instanz die Möglichkeit, die Edition fortlaufend – und nachhaltig – zu pflegen, weiterzuentwickeln und zu vernetzen.
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(Weiterführende) Literatur zu Digital Public History: GROßMANN, Marion et al.: Go Public! Zugänge zur Public History, Wiesbaden, Heidleberg 2024; GUNDERMANN, Christine/ HANKE, Barbara/ SCHLUTOW, Martin (Hrsg.): Digital public history. Analytische Zugänge und Lernpotenziale digitaler Geschichte, Berlin, Bruxelles, Chennai, Lausanne, New York, Oxford 2024; BONDZIO, Sebastian: "At least her was cautioned". Digitally Researching the Gestapo's Ruling Practices, in: Julia Timpe/ Frederike Buda (Hrsg.): Writing the Digital History of Nazi Germany. Potentialities and Challenges of Digitally Researching and Presenting the History of the 'Third Reich', World War II and the Holocaust, Berlin, Boston 2022, S. 57–98; NOIRET, Serge/ TEBEAU, Mark/ ZAAGSMA, Gerben (Hrsg.): Handbook of digital public history, Berlin, Boston 2022b; NOIRET, Serge/ TEBEAU, Mark/ ZAAGSMA, Gerben (Hrsg.): Handbook of digital public history, Berlin, Boston 2022a; TIMPE, Julia/ BUDA, Frederike (Hrsg.): Writing the Digital History of Nazi Germany. Potentialities and Challenges of Digitally Researching and Presenting the History of the 'Third Reich', World War II and the Holocaust, Berlin, Boston 2022; WOJDON, Joanna/ WIŚNIEWSKA, Dorota (Hrsg.): Public in public history, New York, London 2022; FISANICK, Christina/ STAKELEY, Robert O.: Digital storytelling as public history. A guidebook for educators, New York, London 2021; STUMPF, Markus/ PETSCHAR, Hans/ RATHKOLB, Oliver (Hrsg.): Nationalsozialismus digital. Die Verantwortung von Bibliotheken, Archiven, Museen sowie Forschungseinrichtungen und Medien im Umgang mit der NS-Zeit im Netz, Göttingen 2021; CAUVIN, Thomas: Public history. A textbook of practice, New York, London 2016.↩
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(Weiterführende) Literatur zu digitalen Editionen: WACHTER, Christian: Geschichte digital schreiben. Hypertext als non-lineare Wissensrepräsentation in der Digital History, Bielefeld 2021; PIERAZZO, Elena/ DRISCOLL, Matthew James (Hrsg.): Digital scholarly editing. Theories and practices, Cambridge 2016; SAHLE, Patrick: What is a Scholarly Digital Edition?, in: Elena Pierazzo/ Matthew James Driscoll (Hrsg.): Digital scholarly editing. Theories and practices, Cambridge 2016, S. 19–39; RENN, Jürgen: Beyond Editions. Historical Sources in the Digital Age, in: Michael Stolz (Hrsg.): Internationalität und Interdisziplinarität der Editionswissenschaft. … Beiträge der 14. internationalen Tagung der Arbeitsgemeinschaft für Germanistische Edition zum Thema "Internationalität und Interdisziplinarität der Editionswissenschaft", die vom 15. bis 18. Februar 2012 an der Universität Bern, Berlin 2014, S. 9–28; SAHLE, Patrick: Digitale Editionsformen: Zum Umgang mit der Überlieferung unter den Bedingungen des Medienwandels. [3 Bände], Norderstedt 2013; MANDEL, Schewa/ RUTISHAUSER, Manuel/ SEILER SCHIEDT, Eva (Hrsg.): Digitale Medien für Lehre und Forschung, Münster 2010.↩
Technische Gestaltung: Omeka
Um das Ziel einer für Nutzer:innen langfristig bestehenden kostenfrei und online zugänglichen digitalen Edition kostengünstig umzusetzen, wurde die Open-Source-Webpublikationsplattform OMEKA Classic gewählt. Es handelt sich um eine Software zur digitalen Kuratierung von digitalen Sammlungen, Ausstellungen und Archiven. Sie wurde vom Roy Rosenzweig Center for History and New Media (RRCHNM) an der George Mason Universität in Fairfax (Virginia, USA) entwickelt und wird weltweit erfolgreich von Museen, Bibliotheken, Archiven und Forschungsprojekten in digitalen Editionsprojekten eingesetzt (https://omeka.org/). OMEKA bietet Nutzer:innen die Möglichkeit, historische Materialien einfach zu katalogisieren, zu beschreiben und in ansprechenden Online-Ausstellungen zu präsentieren. Das System ist erweiterbar durch verschiedenste Plugins und bietet seinen Anwender:innen flexible Gestaltungsoptionen. Die konkrete Ausgestaltung der vorliegenden Edition wurde entsprechend der technischen Möglichkeiten OMEKAs im Prozess der Anwendung fortlaufend entwickelt.3
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(Weiterführende) Literatur zu OMEKA: SCHUMM, Irene/ WILL, Larissa: OMEKA als Software für digitale Objektsammlungen und virtuelle Ausstellungen - Ein Erfahrungsbericht, in: AKMB-News. 2024; STEIN, Stephen K.: Teaching and Learning History Online. A Guide for College Instructors, Milton 2023; SERAFIN-PRUSATOR, Ewa/ TARKOWSKI, Maciej: Incomplete Architectural Projects – a Digital Repository Based on the OMEKA System, in: DHN 2020: Digital Humanities in the Nordic Countries 2020. 2020, S. 203–211; COSTELLO, Laura/ POWERS, Meredith (Hrsg.): Developing in-house digital tools in library spaces, Hershey, PA 2018; DENZER, Juan: Digital collections and exhibits, Lanham, Md. 2015.↩
Transkription - Software und Umsetzung
Die Transkriptionen der Handschriften Beckmanns wurden von einem fünfköpfigen Team und mithilfe der Transkriptionssoftware Transkribus umgesetzt.4 [1] Zunächst wurden verschiedene von Transkribus zur Verfügung stehenden KI-Modelle getestet, die ältere deutsche Handschriften (Sütterlin, Kurrent usw.) erkennen. Sämtliche Transkriptionsmodelle enthielten in der Anwendung auf Beckmanns Handschriften größere Mengen an Fehlern. Es offenbarte sich, dass die händische Bereinigung der fehlerhaft transkribierten Buchstaben sowie die händische Transkription längerer nicht oder falsch erkannter Text- und Wortabschnitte eines größeren Arbeitsaufwandes bedürfe.
Als das am präzisesten arbeitende Transkriptionsmodell erwies sich das vom Transkribus Team erstellte Modell Transkribus Deutsche Handschrift M1 (ID: 35909), das auf deutsche Kurrent- und Sütterlinhandschriften trainiert wurde.
Dieses Modell half zunächst bei der Transkription der Handschrift der über 380 Blätter umfassenden Quelle „NS-Tagebuch Teil 2 – 9. April 1940 bis 30 April 1944 (Q2.2)“ Die zeitintensive Fehlerbereinigung in diesem Transkript wurde durch den Rückgriff auf die Quellen „NSDAP-Ortsgruppen-Chronik Teil 1 – 1933 bis 28. Juni 1943 (mschr.) (Q3.1)“ und „NSDAP-Ortsgruppen-Chronik Teil 2 – 30. Juni 1943 bis 30. April 1944 mschr.) (Q3.2)“ erleichtert. Diese Quelle stellen– teilweise veränderte – mutmaßlich von der damaligen Glandorfer NSDAP-Sekretärin Dora Reissner angefertigte maschinenschriftliche Abschriften der Quelle Q2.2 dar und nahmen eine Kontrollfunktion bei der Transkriptionsbereinigung einnahm. Der ständige Abgleich der beiden inhaltlich und sprachlich nicht vollkommen deckungsgleichen, aber in weiten Teilen übereinstimmen Versionen half dem Team dabei, eine weitgehend fehlerfreie Transkription anzufertigen sowie die Handschrift Beckmanns mit ihren Eigenheiten kennenzulernen und so das Lesen der Handschrift einzuüben.
Diese Erarbeitung einer weitgehend fehlerfreien Transkription bot die Grundlage für die Erstellung eines auf die Transkription der Schrift Beckmanns ausgelegten KI-Transkriptions-Modells. Beim folgenden KI-Modell-Training wurden verschiedene Testläufe mit abweichenden Parametern durchgeführt. Es zeigte sich, dass die Verwendung von Grundmodellen, auf denen das Modelltraining für die Schrift Beckmanns aufgebaut wurde, der effektivere Weg der Erarbeitung eines ‚Beckmann-Transkriptionsmodells’ ist. Für das Training eines neuen ‚leeren’ Modells auf Beckmanns Handschrift stellten die transkribierten etwa 380 Blätter eine zu dünne Grundlage dar. Letztlich zeigte sich das Training des bestehenden KI-Modells Transkribus Deutsche Handschrift M1 (ID: 35909) auf die Handschrift Beckmanns als das Vorgehen, das das präziseste ‚Beckmann-KI-Transkriptionsmodell’ ergab. Mithilfe dieses neuen Modells wurden die weiteren Handschriften transkribiert. Wenngleich die Fehlerdichte der folgenden Transkriptionen dadurch geringer ausfiel, als die des untrainierten Modells Transkribus Deutsche Handschrift M1 (ID: 35909), bedurfte die Transkripte nach wie vor zeitintensiver Bereinigungsarbeit.
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(Weiterführende) Literatur zu Handschriftentranskription und Transkribus: PFISTER, Claudia: Stand der Handschriftenerkennung im ABD-Kontext, in: Informationswissenschaft: Theorie, Methode und Praxis, 8. 2024, H. 1, S. 339–357; SPILLERT, Florian: Aufwand und Nutzen einer Kooperation mit Transkribus (HTR-Software) für kleine Spezialarchive am Beispiel des Archivs der Max-Planck-Gesellschaft, Potsdam 2024; FUNCK, Sandra/ STEINFÜHRER, Henning: Chancen und Grenzen der automatisierten Handschriftenerkennung für Archive. Ein Erfahrungsbericht mit der Software Transkribus am Beispiel des Inventars der Hanseakten des 16. und 17-. Jahrhunderts im Stadtarchiv Braunschweig, in: Archiv-Nachrichten Niedersachsen. 2023; KEMMLER, Rolf/ CORVO SÁNCHEZ, María José: ‘Fraktur’, ‘Kurrent’, ‘Sütterlin’ und ‘Antiqua’: Schriftarten und Zweischriftigkeit in alten Deutschlehrwerken, in: Círculo de Lingüística Aplicada a la Comunicación, 87. 2021, S. 153–172; KAHLE, Philipp et al.: Transkribus - A Service Platform for Transcription, Recognition and Retrieval of Historical Documents, in: Xiang Bai/ Dimosthenis Karatzas/ Daniel Lopresti (Hrsg.): Document Analysis Systems. 14th IAPR International Workshop, DAS 2020, Wuhan, China, July 26–29, 2020, Proceedings, Cham 2020, S. 19–24.↩
(Weiterführende) Literatur
BONDZIO, Sebastian: "At least her was cautioned". Digitally Researching the Gestapo's Ruling Practices, in: Julia Timpe/ Frederike Buda (Hrsg.): Writing the Digital History of Nazi Germany. Potentialities and Challenges of Digitally Researching and Presenting the History of the 'Third Reich', World War II and the Holocaust, Berlin, Boston 2022, S. 57–98;
CAUVIN, Thomas: Public history. A textbook of practice, New York, London 2016;
COSTELLO, Laura/ POWERS, Meredith (Hrsg.): Developing in-house digital tools in library spaces, Hershey, PA 2018; DENZER, Juan: Digital collections and exhibits, Lanham, Md. 2015;
FISANICK, Christina/ STAKELEY, Robert O.: Digital storytelling as public history. A guidebook for educators, New York, London 2021;
FUNCK, Sandra/ STEINFÜHRER, Henning: Chancen und Grenzen der automatisierten Handschriftenerkennung für Archive. Ein Erfahrungsbericht mit der Software Transkribus am Beispiel des Inventars der Hanseakten des 16. und 17-. Jahrhunderts im Stadtarchiv Braunschweig, in: Archiv-Nachrichten Niedersachsen. 2023;
GROßMANN, Marion et al.: Go Public! Zugänge zur Public History, Wiesbaden, Heidleberg 2024;
GUNDERMANN, Christine/ HANKE, Barbara/ SCHLUTOW, Martin (Hrsg.): Digital public history. Analytische Zugänge und Lernpotenziale digitaler Geschichte, Berlin, Bruxelles, Chennai, Lausanne, New York, Oxford 2024;
KAHLE, Philipp et al.: Transkribus - A Service Platform for Transcription, Recognition and Retrieval of Historical Documents, in: Xiang Bai/ Dimosthenis Karatzas/ Daniel Lopresti (Hrsg.): Document Analysis Systems. 14th IAPR International Workshop, DAS 2020, Wuhan, China, July 26–29, 2020, Proceedings, Cham 2020, S. 19–24;
KEMMLER, Rolf/ CORVO SÁNCHEZ, María José: ‘Fraktur’, ‘Kurrent’, ‘Sütterlin’ und ‘Antiqua’: Schriftarten und Zweischriftigkeit in alten Deutschlehrwerken, in: Círculo de Lingüística Aplicada a la Comunicación, 87. 2021, S. 153–172;
MANDEL, Schewa/ RUTISHAUSER, Manuel/ SEILER SCHIEDT, Eva (Hrsg.): Digitale Medien für Lehre und Forschung, Münster 2010;
NOIRET, Serge/ TEBEAU, Mark/ ZAAGSMA, Gerben (Hrsg.): Handbook of digital public history, Berlin, Boston 2022b;
PFISTER, Claudia: Stand der Handschriftenerkennung im ABD-Kontext, in: Informationswissenschaft: Theorie, Methode und Praxis, 8. 2024, H. 1, S. 339–357;
PIERAZZO, Elena/ DRISCOLL, Matthew James (Hrsg.): Digital scholarly editing. Theories and practices, Cambridge 2016;
RENN, Jürgen: Beyond Editions. Historical Sources in the Digital Age, in: Michael Stolz (Hrsg.): Internationalität und Interdisziplinarität der Editionswissenschaft. … Beiträge der 14. internationalen Tagung der Arbeitsgemeinschaft für Germanistische Edition zum Thema "Internationalität und Interdisziplinarität der Editionswissenschaft", die vom 15. bis 18. Februar 2012 an der Universität Bern, Berlin 2014, S. 9–28;
SAHLE, Patrick: Digitale Editionsformen: Zum Umgang mit der Überlieferung unter den Bedingungen des Medienwandels. [3 Bände], Norderstedt 2013;
SAHLE, Patrick: What is a Scholarly Digital Edition?, in: Elena Pierazzo/ Matthew James Driscoll (Hrsg.): Digital scholarly editing. Theories and practices, Cambridge 2016, S. 19–39;
SCHUMM, Irene/ WILL, Larissa: OMEKA als Software für digitale Objektsammlungen und virtuelle Ausstellungen - Ein Erfahrungsbericht, in: AKMB-News. 2024;
SERAFIN-PRUSATOR, Ewa/ TARKOWSKI, Maciej: Incomplete Architectural Projects – a Digital Repository Based on the OMEKA System, in: DHN 2020: Digital Humanities in the Nordic Countries 2020. 2020, S. 203–211;
SPILLERT, Florian: Aufwand und Nutzen einer Kooperation mit Transkribus (HTR-Software) für kleine Spezialarchive am Beispiel des Archivs der Max-Planck-Gesellschaft, Potsdam 2024;
STEIN, Stephen K.: Teaching and Learning History Online. A Guide for College Instructors, Milton 2023;
STUMPF, Markus/ PETSCHAR, Hans/ RATHKOLB, Oliver (Hrsg.): Nationalsozialismus digital. Die Verantwortung von Bibliotheken, Archiven, Museen sowie Forschungseinrichtungen und Medien im Umgang mit der NS-Zeit im Netz, Göttingen 2021;
TIMPE, Julia/ BUDA, Frederike (Hrsg.): Writing the Digital History of Nazi Germany. Potentialities and Challenges of Digitally Researching and Presenting the History of the 'Third Reich', World War II and the Holocaust, Berlin, Boston 2022;
WACHTER, Christian: Geschichte digital schreiben. Hypertext als non-lineare Wissensrepräsentation in der Digital History, Bielefeld 2021;
WOJDON, Joanna/ WIŚNIEWSKA, Dorota (Hrsg.): Public in public history, New York, London 2022.