Oktober – Dezember 1917
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[Fortsetzung Blatt 145]
3. Oktober 1917
Noch immer dasselbe Leben. Der Russe kommt öfters aus dem Wald und wird dann von unserer Artillerie vertrieben. Heute schoß Rußkis Artillerie. Sechs Geschütze, in Salven auf unsere Gräben und in das Gut. Die Nächte sind schon kalt, aber friedlich. Gestern zeigte sich Rußkis Fesselballon, unsere haben zwei stehen. Es gehen Gerüchte, daß wir morgen abgelöst werden.
9. Oktober 1917
Gestern sind wir vom Gut Kastran fortgekommen und haben hier 405 abgelöst, etwa 10 km weiter rechts bei Abzenau5. Von 5–7 Uhr war ich auf Feldwache, scharf aufpassen und nachts keine Ruhe. Stellten einen Doppelposten und dann war ich auf Patrouille zur Feldwache der 11. Kompanie. Sollte etwa 1000 m rechts liegen. In der Dunkelheit rief uns der Posten der 11. nicht an, so zogen wir (zwei Mann) weiter ins Feindgebiet hinein, bis wir schließlich umkehrten. Dann erst meldete sich der Posten. Die Sache hätte schief gehen können, da wir weit hinter Rußkis Stellung waren. – Von rechts, Feldwache Sille, kam Patrouille zu uns. Wir freuten uns, daß wir die anstrengende Zeit vorbei hatten und zogen wieder in unsere gemütlichen Bunker. Der Russe brannte vor uns, am kleinen Jägel, ein ganzes Dorf ab, es war im wechselnden Besitz. Sonst ist Stellung, auch nachts, recht ruhig. Flieger. Also gestern kamen wir hierhin, die Kompanie wurde aufgeteilt in F.W.6 und U[nterposten?] Wir liegen jetzt auf U[nterposten?] [i]n einem Dorfe, ein richtiger Posten zum Wegschnappen. Links Verbindung kennt keiner. Vor uns 100 m Entfernung dichter Wald, rechts 700 m freies Feld, rückwärts 500 m eine Feldwache mit einem Maschinengewehr. Wir sind mit acht Mann weit vor, in einem Dorfe, allein auf uns angewiesen. Der Russe ist uns näher
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[Blatt 146]
als unsere Freunde. Vor dem Hause, wo wir hausen, ([das] letzte am Ausgang nach der Feindseite) haben wir einen kleinen Graben geworfen. Beim Angriff sollen wir uns auf die Feldwache zurückziehen
10. Oktober 1917
Mistige Stimmung, liegen noch immer, noch einige Tage heißt es. Gestern gegen 2 Uhr und 3 Uhr kam der Russe. Allgemeine Knallerei und erhöhte Aufregung. Bekommen zwei Mann Verstärkung, der reine Hohn. Die Nacht kalt und windig, erhöhte Aufmerksamkeit. Links sollen sich die Wachen zurückgezogen haben. Wenn wir wenigstens ein Maschinengewehr hier hätten. Wann ist nur Frieden? Artillerie-Schießerei am Morgen. Das Wetter wird immer eklicher [sic]. Die Nerven machen sich bemerkbar.
11. Oktober 1917
Noch immer hier. Eben kamen mal wieder die Russen. Wir haben sie heimgeleuchtet. Es ist regnerisch, kalt. Läuse, Flöhe, Wanzen, Heimchen, Kakalatsches7, alles in Hülle und Fülle. Hinnerk fängt auf der Veranda eifrig Läuse und schlägt sie mit einem großen Hammer tot. Man ist stets in aufgeregter Stimmung. Seit letzter Nacht stehen wir Einzelposten, alle, den sogenannten Schützenschleier, die halbe Mannschaft. Zwei Stunden stehen, zwei Stunden schlafen. Doch die Nacht war ruhig. Gestern Abend brannte Rußki uns gegenüber. Sonst überall andauernd Brände.
Mitternacht, 15./16. Oktober 1917
Auf Feuerwache. Stehen jetzt Einzelposten, Schützenschleier. Von Tag zu Tag warten wir auf Ablösung. Es ist zu stumpfsinnig, da man tags direkt im Hause gebannt ist. Oft, täglich, fängt Rußki an zu knallen, wir antworten wieder. In den letzten Tagen wird viel gebrannt (Die spätere Stellung wird weit hinter uns ausgebaut, und das Zwischengelände zu einer Wiese gemacht, damit der Russe sich nicht setzten und wir Schußfeld haben). Vor drei Nächten zweimal alarmiert. Es war
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Kakerlaken.↩
[Blatt 147]
stockfinster und regnete. Die Posten hatten sich geirrt. Wir knallten fürchterlich. Handgranaten, alles. Nervosität. Sonst immer dasselbe. Die Nächte sind recht dunkel und schon sehr lang. Von 17–5 Uhr stehen die Nachtposten, bis 6 Uhr sollen sie schon stehen. Russische und deutsche Flieger.
20. Oktober 1917
Die Tage sind schnell verlaufen. Voraussichtlich ist heute der letzte Tag. Die große Bagage ist gestern Nacht schon abgefahren. Das Wetter ist eklich [sic] und naß, Regen und Sturm und dichter Nebel. Vor drei Nächten machte Rußki rechts einen Feuerüberfall. Sonst dasselbe Leben. Jede Nacht wird hinter uns gebrannt. Die Nacht vom 17. [auf den] 18. war die reinste Gespensternacht. Dicht hinter unserer Linie hatten die Husaren zwei Gehöfte in Brand gesteckt. Ganze Scharen von Nachtvögeln kamen hoch und durchfegten die Luft. Geradezu unheimlich machte es sich bei dem blutigen Himmel. Vorgestern Abend bekam ich Nachricht, am anderen Morgen, 530 Uhr, bei der Schreibstube zu sein. Nach schlafloser Nacht gings hin. Dort Lebenslauf schreiben, dann zum Revier zur Untersuchung zurück, brachte die Papier[e] noch nach Absenau8 zum Bataillon. Ist wegen Kursus. Erst am Mittag kam ich bei der Feldwache wieder an. Immer durch Sumpf. Ein häßlicher Weg. Dabei Regen. Die Vorbereitungen zum Rückzug sind allerwärts getroffen.
24. Oktober 1917
Am 21. Oktober morgens gings zurück. Um 230 Uhr zogen wir die Wachen ein, dann gings leise von U[nterposten?] zu U[nterposten?], alles wurde mitgenommen, überflüssige Munition flog in den Brunnen. Die Loslösung vom Feind ging unbemerkt und geräuschlos vor sich. Überall Brand, über 60 Einzelbrände leuchten allein. Wir kommen noch durch Sumpf und haben den ganzen Tag nasse Füße.
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Vermutlich eine Ortsbezeichnung. Welchen Ort Beckmann meint, konnte nicht abschließend geklärt werden. ↩
[Blatt 148]
Überall Feuer, der ganze Himmel ist rot, Sprengkommandos überall. Kavallerie deckt den Rückzug. Bei Absenau9 trifft sich das Bataillon. Es geht geschlossen weiter. Ein dünner Kavallerieschleier hält die erste Aufnahmestellung noch eine Stunde, dann gehts weiter und dasselbe und wieder weiter. Radfahrer stellen die letzten Sprengkommandos. Bei Tagesanbruch sind wir weit fort. Immer mehr Feuer. Durch eine lange Schneise gehts auf Oselung10 zu, dort müssen wir erst den mindestens 5 km langen Weg ausbessern, da unsere Küchen und Maschinengewehre versacken. Mittags kommen wir endlich auf die Chaussee. Dann gehts auf Wesseli11 zu. Hier schneiden wir gegen 5 Uhr unsere neue Stellung. Tadellos ausgebaut. Dann gehts noch weiter nach Turkan12 und Rybnik. Übernachten dort auf einem Heuboden und am 22. morgens 7 Uhr gehts weiter nach Lindenberg zu über Danus13 nach Schloß Rodenpois am großen Jägel. Hier kommen wir gegen 14 Uhr mittags müde an und bekommen Quartier mit dem ganzen Bataillon auf einem großen Boden. Ein böser Betrieb. Das Wetter ist naßkalt. Schreiben kann man nicht, kein Licht. In der Kirche liegt Armierung. Das große Gut ist total verdreckt und wir werden die reinsten Straßenkehrer.
25. Oktober 1917
Gestern Abend gings lustig her, getanzt und gesungen haben wir wie die Wilden. Die 11. und 12. Kompanie sind ausgezogen, dafür kommt die Maschinengewehr-[Kompanie?] herein. Vorgestern Abend gabs Punsch und dann hatte alles genug. Hauptsache, wenn dieser Mist bald zu End wär.
2. November 1917
Allerseelen. Noch immer dasselbe Leben. Läuse und Flöhe unheimlich viel. Um 18 Uhr geht man schlafen, Licht fehlt. Hoffentlich brennt morgen das elektrische Licht. Jeden Tag Arbeitsdienst. Wegebau,
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Vermutlich eine Ortsbezeichnung. Welchen Ort Beckmann meint, konnte nicht abschließend geklärt werden. ↩
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Vermutlich eine Ortsbezeichnung. Welchen Ort Beckmann meint, konnte nicht abschließend geklärt werden. ↩
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Vermutlich eine Ortsbezeichnung. Welchen Ort Beckmann meint, konnte nicht abschließend geklärt werden. ↩
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Vermutlich eine Ortsbezeichnung. Welchen Ort Beckmann meint, konnte nicht abschließend geklärt werden. ↩
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Vermutlich eine Ortsbezeichnung. Welchen Ort Beckmann meint, konnte nicht abschließend geklärt werden. ↩
[Blatt 149]
Aufräumungsarbeit und Holzfällen. Vorgestern war ich zur Division nach Wilkatuv14 und brachte Gelder und Wollzeug den Abkommandierten. In Gr[oß] Kangern15 liegt die Brigade. Unterwegs trat ich vor Hütier, den Armeekommandanten. Morgen sollen wir ein vor uns liegendes Dorf von Russen säubern und zerstören.
5. November 1917
Vorgestern gings los. Unser Bataillon, eine Sturmkompanie, zwölf Maschinengewehre, ein Haubitzen-Bataillon gingen wir zusammen. Morgens um 330 Uhr gings los. Durch unsere Stellung, das Dorf Allasch, sollte gestürmt und gesäubert werden und zerstört werden. Die Wege recht dreckig, pro Mann 200 Patronen, eine Handgranate und Sturmgepäck. Wir umzingelten gegen 9 Uhr das Dorf. Der Russe rückte schnell aus. Drei Wagen Sprengstoff luden wir aus, während die anderen Kompanien das Dorf im weiten Umkreis sicherten. Ein[ig]e Gewehrgeschosse schlugen ein. Das schöne Schloß ging dann in die Luft mit allem Inhalt (4–5 m hohe Palmen). Ungeheure Detonationen. Dann brannten wir sämtliche Häuser ab. An 40 Häuser. Teilweise massiv, gesprengt. Ein Flieger sollte uns unterstützen, das Wetter zu schlecht. Erst gegen Dunkelheit gings zurück, in dem ungeheuren Dreck. Immer mit Sicherungen im Schützenschleier. Alle Augenblicke fiel einer im Dreck lang. Todmüde kamen wir gegen 2130 Uhr wieder in Rodenpois an. Da erst essen. Gestern war arbeitsreich. Nachmittags spielte die R[odenpois?] Kapelle. Heute gings zum Arbeitsdienst nach Krumin. Drei Stunden laufen, dann bis 13 Uhr arbeiten, dann zurück. Alle Tage machen wir das nicht mit. Wir sollen einen Bohlenweg bauen. Heute Abend brannte überall unser elektrisches Licht. Große Freude. Gerüchte von Kriegserklärungen, Holland und Schweden. Wann ist nur Friede?
8. November 1917
Am 5. abends, als ich schon schlafen gegangen, ertönte der Ruf: "Feuer“. Die große Scheune, rechts von uns, hatte Feuer gefangen. Die Pferde von einem Bataillon, 409, standen
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[Blatt 150]
darin, die und viele Kühe wurden zuerst in Sicherheit gebracht. Dann war im Augenblick der ganze Dachstuhl in Brand. Eine ungeheure Stichflamme zuckte zum Himmel empor, als die Flamme durchbrach. Wir räumten in Eile unser Quartier, denn der Wind stand auf uns. Dann wurde die Scheune zwischen der brennenden und unserer beschützt. Endlich nach zweistündiger Arbeit gelang das. Wir stellten noch nachts eine Feuerwache. Am anderen Tag kam der General zur Besichtigung. Jetzt wird unsere Bude allmählich fertig, nur eisig kalt ist's noch. Die Öfen werden wohl morgen fertig. Gestern hatte ich Durchfall mit Blut. Heute wars wieder besser. Wann ist nur Schluß? Wir gehen noch immer zum Straßenbau, bauen bei Panzern auch einen Knüppeldamm.
14. November 1917
Der Ofen war einige Tage fertig und heizte gut, aber heute hat er den Boden angebrannt. Folge? Er ist schon abgerissen. Es ist eklich [sic] kalt. Gehen noch immer zum Arbeitsdienst, weit, hinter Kangern zum Straßenbau und Knüppeldamm, ebenso nach Boja[r]. Am Freitag war ich zur Sanitätstäts-Kompanie, verlor mein C.[?] Ebenso war ich gestern Dienstag hin, habe dort eine neue Schießbrille bekommen. Haben jetzt vier Rekrutenkompanien. Von uns sollen noch viele Transporte fort. Der Russe ist weit weg. Patrouillenkrieg. 409 verlor vor acht Tagen 20 Mann und dann acht Mann. – Flieger und Fesselballon. Sonst dasselbe Leben.
23. November 1917
Immer dasselbe, jeden Tag Arbeitsdienst, jetzt wird die Kleinbahn auch bis Rodenpois gebaut. Die Division sollte diese Tage fort, doch da 6700 Ersatz fehlen, bleiben wir hier. Heute bin ich als Wachthabender auf Ortswache. Es soll wieder ein großes Patrouillenunternehmen von drei bis vier Tagen gemacht werden. Morgen soll's schon los. Heute ist wieder Regen und Dreck. Die letzten Tage hat es schon tüchtig
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[Blatt 151]
gefroren und geschneit. Im großen Jägel treibt kolossal viel Brennholz, wir fischen im eiskalten Wasser Kloben für Kloben heraus. In unserer Bude ist der zweite Ofen nun bald fertig, nachdem der erste abgerissen werden mußte. Es ist noch kalt. Von der Schreibstube bekam ich von Chr. Petersen etliche Pakete, kommen mir gut zupaß.
26. November 1917
Am 24., morgens [um] 8 Uhr, ging's los von Schloß Rodenpois nach Hinzenberg. Eiserne Portion geht mit. Mit schwerem Gepäck, im dichten Schneegestöber kamen wir dort gegen 13 Uhr an. Eine böse Tour. Ich zog sofort mit einer Gruppe auf vorgeschobenen Maschinengewehr-Posten. Wir ruhten uns gemütlich ein, schöpfen das Grundwasser, um 1430 Uhr kommt noch ein[e] Maschinengewehr-Gruppe und will uns aus dem Bunker (in der vorbereiteten Stellung) hinausweisen. Bekomme aber beim Komp[anieführer?] Bescheid, daß wir alle in dem Stollen hausen müßten. Das Grundwasser steigt (ganzer Tag dicker Matschschnee), wir behelfen uns, so gut es geht, und dann legen wir uns schlafen. Es regnet, alles schwimmt im Graben. Die tollste Nacht, die ich je mitgemacht. Der Graben liegt höher, das Wasser will in den Stollen. Um 3 Uhr über 0,5 m Wasser. Der Ofen ersäuft. Gegen 5 Uhr schaffen wir barfuß unsere nassen Sachen ins Freie. Ich bin der Letzte und werde zum kleinen Fenster am Dach herausgezogen, da die Tür unter Wasser steht. Ein Wunder, daß man nichts sich geholt hat. Um 8 Uhr kommt die Ablösung. Die Küche besorgt Punsch, in dem überwarmen Quartier (Backofen, oben drauf schlafen wir großartig). Am Mittag besichtigt der Regiments-Kom[anieführer?] die versoffene Stellung und meint zu mir. "Ein rechter Soldat hätte auch jetzt die Stellung noch gehalten!" Dabei
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[Blatt 152]
war nicht mehr zu sehen als ein gewaltiger See. Heute Morgen sind wir nun wieder umgezogen ins kleine Schloß und morgen gehts ins gr[oße?]. Ein böses Durcheinander. Augenblicklich haben wir eine schöne Bude. Meine Gruppe allein. Tadellose Möbel und Sachen, weißer Kachelofen. Ein Zimmer liegt vollgepackt von Kriegskarten. Nehme einen Packen mit. Heute hab ich wieder Wache, lasse aber von hier ablösen, es steht ein Doppelposten. Es soll wieder Schießverbot sein. Rußki liegt weit weg. Man munkelt Waffenstillstand. Ob wir fortkommen? Heut Nachmittag nahm ich mit Vizefeldwebel [?] Grabke unsere Stellung auf. Morgen stellt die 11. Kompanie Jagdkommandos.
30. November 1917
Am 27. zogen wir wieder um, in die große Villa. Aber zu viel liegen wir in der Bude, mit drei Gruppen. Es ist nachts zu heiß, man kann nicht schlafen. Das Ungeziefer beißt zu stark. Habe mehrere Male Wache. Das Jagdkommando war gestern und vorgestern vorne. Der Russe liegt weit vorn. Gestern kam durch vom Friedensangebot und Verhandlungen mit R[usse?], heute Morgen kam[en] Unteroffizier Meyer (Wellingholzhausen) und acht Mann fort, wohl zum Westen.
5. Dezember 1917
Sitze seit drei Tagen auf U[nterposten] I mit sechs Mann. Kamen weit vorne zu beiden Seiten des Bahndammes in Stellung. Ganz ruhig. Viel Sumpf. Sind mit im Hochwald, wundervolle Schneelandschaft, man sieht und hört nichts, könnte am Nordpol sein. An der Bahn sind viele Wagen verbrannt. Die Kälte nahm zu. Heute wenigstens -15 °C, haben tüchtig gefroren. Bauen einen Knüppeldamm für den Patrouillenweg, da er durch einen tiefen Sumpf geht. Es sollen wieder etliche fort. In Hinzenberg kam das Gerücht von einer großen Offensive in Frankreich, durchgestoßen 50 km breit, 30 km tief bei Lille (es scheint nicht wahr zu sein, aber die Waffenstillstandverhandlungen mit R[usse?] sind im Gange).
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[Blatt 153]
Gehen viele Gerüchte rund, bei uns sei schon Waffenstillstand, aber gestern schossen sie noch auf unsere Patrouille, auch Flieger. Nun soll es gestern Abend zum Waffenstillstand gekommen sein. Bestimmtes ist nicht heraus, bei uns ist es Krampf. Kein Licht, um 1530 Uhr wirds dunkel, der Ofen qualmt, die Bude ist kalt und entlausen kann man sich nicht.
9. Dezember 1917
Nachdem die letzten Tage Gerüchte über Fortkommen nach Frankreich usw. im Umlauf waren, sind wir gestern Abend abgelöst. War gestern krank, Magen verdorben in Kartoffeln, die wir vorgestern noch ausgeliefert bekamen. Heute ist's besser. Liegen im Bahnhofshotel von Hinzenberg. Kalter Wind fegt über die freie Ebene. Heute Abend soll's erst weitergehen, um 19 Uhr nach Riga. Die tollsten Parolen sind im Gange. Abwarten.
11. Dezember 1917
Aufschriften auf der Strecke: Hinzenberg-Front. – 25 Minuten bis zum östlichen Kriegsschauplatz, – nach Petersburg – "Zur Heimat.“ – Vorgestern Abend 20 Uhr gings los von Hinzenberg nach Skarbe16, dort verladen, um 010 Uhr fahren wir bis 230 Uhr nach Riga-Kaiserwald, von dort zu Fuß nach Riga-Antonienstraße. 1,5 Stunden Weg. Es war glatt. In einem grauen Neubau werden wir einquartiert. Die Heizung geht nicht, es ist kalt. Schlafen auf dem Fußboden bis Mittag, dann bis 21 Uhr in die Stadt. Schöne Stadt, aber teuer. Unheimliche Preise. Kleine Tafel Schokolade – früher 20 Pf. – jetzt 2 Mk [bis] 6 Mk. Ein Plätzchen 35 Pf., ein Alpenveilchen 25 RM, ein Pfd. Wolle 32 RM usw. – Gestern Abend im Kino trafen wir einen Bekannten von den Zivilgefangenen aus Sillen17 wieder. Heute war ich baden. Eine große Wonne.
12. Dezember 1917
Gestern Mittag auf der Straße Appell. Mittags kam der junge Russe, mit ihm durch die Stadt, am Hafen, im Museum. Haben alles
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[Blatt 154]
Schau[en]swerte angesehen. Eisig kalt ists, der Wind fegt die Straßen, recht glatt. Ein Pf[un]d Futter kostet 16 RM. Gestern waren wir wieder im Kino an der Alexanderstraße. Schöne Aufmachung, ähnlich [dem] Lessingstheater in Hamburg. Gleich sollen wir wieder umziehen, es heißt nach der Alexanderstraße.
19. Dezember 1917
Wohnen nun etliche Tage in der Alexanderstraße. Wunderschönes Haus. Leider ist die Warmwasserleitung nicht in Ordnung. Jeden Tag los. Morgens gehts zur Post, die Rekrutenpost sortieren. Nachmittags in die Stadt. 406 kam für 405. Hauptmann Dürre ist da – wieder zu kullern. Bekommen einen neuen Feldwebel. Kompanie wird neu eingeteilt (Nachtrag. – Am Großen Jägel sollten Meyer und ich zum Offiziers-Kursus. War alles in Ordnung. Schon unterwegs, telegraphisch zurückgeholt, da der Onkel zweier Mitkameraden, General so und so, sich beschwerte, daß seine Waffen usw. Schiebung). Sonntags war ich zum Theater, "Familie Heinemann", ebenfalls gestern. Deutsches Theater. (Alt-Deutsche Volkslieder, drei Fastnachtspiele von H. Sachs „der fahrende Schüler", "der tote Mann", der "Krämerkorb"; ferner zwei Akte aus den Meistersängern). Morgen Abend haben wir unsere Weihnachtsfeier. Der Waffenstillstand mit Rußki ist formell. Am 27. solls weitergehen.
25. Dezember 1917
Weihnachtsmorgen. Kalt und eklich [sic], sind seit vorgestern Mittag marschbereit. Traurige Weihnachten. Am 20. war allgemeine Bataillons-Weihnachtsfeier. Jeder Paketchen, wurde Bier geschenkt und pro Mann ein Stück Honigkuchen verkauft, man konnte letzteres gegen Aufopferung seiner Zigarren und Zigaretten erhalten. Ein fürchterliches Gedränge, getanzt und Blödsinn gemacht. Morgens waren wir zur Kirche. Um 930 Uhr [Uhr] geh ich immer zur Post. Am 22. wurden in der Kompanie noch allerlei Sachen verschenkt, ebenfalls gabs Bier. Das Ganze nicht eine Spur einer Feier. Nun
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[Blatt 155]
kam der Heilige Abend. Mit Alf. Hoppe ging ich gegen 17 Uhr zum Bremer Soldatenheim. Eine Luft und Vollheit zum Umfallen. Wir wieder nach Haus, das Wetter war zu ungemütlich. Spielen Skat bis 22 Uhr. War mehr Galgenhumor. Gaben unser letztes Geld für eine Flasche Wein. 12 RM. Zuckerwasser, ein Viertel Pfd. Bonbon à Mann. Zwei Stück = 3 RM und eine halbe Gurke (10 cm), dann schlafen und kratzen die ganze Nacht, Läuse, und kommen wegen der Kälte x-mal hoch. Heute am ersten Weihnachtstag natürlich Dienst. Griffe kloppen auf den Stuben und Singen. Wir verdrücken uns zum Bremer Soldatenheim, die Feiern in den einzelnen Soldatenheimen sollen recht nett gewesen sein, aber es war zu voll. Heute rückt 409 ab. Wir werden wohl folgen. –
[Fortsetzung Blatt 155 folgendes Kapitel]
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